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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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hat? Er sagte das, was er immer zu mir gesagt hat, seit ich mit vie r zehn mit Vito Pinelli ausgegangen bin. Wir müssen uns lange unterhalten. Dann wurde er kreidebleich. Ich schwöre, ich weiß nicht, wie du so gut mit ihnen auskommen kannst. Natü r lich ist er eine Hilfe. « Joanie bedachte mich mit einem von ihren braunäugigen Blicken, dann sah sie wieder zu meiner Frau. »Er ist ein Wunder, das ist er. «
    »Nun, du weißt, wie ich mit ihnen auskomme «, sagte Mo r gan. »Ich bin einfach netter zu ihnen als du. «
    »Aber wie machst du das? Bringen sie dich nicht manchmal soweit, dass du sie umbringen möchtest? Mein Arzt sagt, das sei normal. Aber wenn ich sie noch ein einziges Mal von me i ner glücklichen Kindheit sprechen höre, dann kotze ich. «
    »Ich weiß «, sagte Morgan. »Ich auch. Aber kannst du nicht wenigstens versuchen, für Papa mehr Verständnis aufzubri n gen? Du bist ihm sehr wichtig, und er macht sich deinetwegen Sorgen. Ich glaube, er liebt dich wirklich. «
    Joanie richtete sich ruckartig auf und verstreute Krümel. »Großartig. Du hörst dich an wie mein Psycho-Gruppen-Doktor. Ich habe mich monatelang nach einer Gruppe umg e sehen, in die ich gehen konnte, und dann bekomme ich diesen Quacksalber, der mir einredet – nun, er hat es nur angedeutet, aber gemeint hat er es dennoch –, dass ich in meinen Vater verliebt bin. Gut, du hast es umgekehrt gesagt. Auch gut. «
    »Hast du die Gruppe verlassen? « fragte Morgan.
    »Nein, ich bin immer noch dort. Hat mir viel geholfen, als ich beschlossen hatte, Fred zu verlassen. «
    Meine Frau dachte darüber nach. Sie legte das Kinn auf die Knie, die Beine angewinkelt, Füße zwischen me in en Beinen. »Also hast du auf dem Rückweg überhaupt nicht mit ihm g e sprochen? «
    »Ich möchte, ich möchte mit ihm reden, aber Jedes Mal , wenn ich anfange, etwas Wichtiges zu sagen, wird er nervös. Ich sagte ihm, ich wüsste nicht, ob mir etwas gegeben oder genommen worden ist, und er sagte, ich sollte nicht darüber nachdenken. › Denk an deine Kusine, Baby ‹ , sagte er. › Sie ist nur fünf Jahre älter als du und hat bereits drei Scheidungen hinter sich. ‹«

3
     
    Ich sitze mit Joanie im Yacht Club, unter blauen Sonne n schirmen mit der gelben Aufschrift Cinzano. Morgans Eltern gehören dem Yacht Club schon seit ewigen Zeiten an, wen n gleich sie sich nicht für Yachten interessieren und das Wasser verabscheuen. Maxine hat einmal eine Karibikkreuzfahrt mi t gemacht. »Das war so langweilig «, erzählte sie, » dass ich alle Lust am Wasser verloren habe. Jetzt muss Papa überall hin mit mir fliegen. «
    »Ich wünschte, ich hätte einen Joint «, sagt Joanie und übe r kreuzt die in Hosen versteckten eleganten Beine. »Hier fühle ich mich immer wie am Ende der Welt. Himmel! Warum bleibst du hier? «
    Wir sitzen auf einer Terrasse mit Strandblick. Die Hunderte dort vor Anker liegenden Boote rascheln bei ihrer Frage und schwanken im Wasser von einer Seite auf die andere. »Wir bleiben nicht hier «, sage ich. »Im August gehe ich nach D u blin, um ein Büro zu eröffnen und eine Wohnung zu suchen, und dann wird Morgan zu mir kommen. Wahrscheinlich sind wir ein Jahr dort, vielleicht länger. «
    Sie öffnet den Mund. Sie stellt das Glas so heftig au f d en Tisch, dass dieser vibriert. »Dublin! Du bist ein Wunder! Das ist eine herrliche Idee. «
    »Nun «, sage ich, »tu nicht so, als würde es dich überr a schen, denn ich habe mitbekommen, wie Maxine es dir gestern Abend ins Ohr geflüstert hat. Sie möchte nicht, dass wir g e hen. «
    Joanie wandte sich von mir ab und hob eine Hand, um dem Kellner zu winken. »Großer Gott, das hast du also gehört, ja? « Als der Kellner kam, bestellte sie zwei Bloody Marys. »Nun, du hast Recht , aber ich hatte es irgendwie vergessen. Ich habe mir überlegt, wie ich Papas Laune aufmuntern könnte. «
    Es ist elf Uhr vormittags, und die Sonne steht hoch und grell und tödlich über dem Strand. Der wolkenlose Himmel scheint leicht geneigt zu sein – oder liegt das nur an meinem Sehfehler? Unter uns erstrecken sich die Reihen der Boote im Hafen, ihre bunten Farben leuchten. Wir sehen Männer, die auf den Decks ihrer Boote entlanggehen, in die Kabinen z u rück, sich mit Frauen unterhalten, mit ihnen an Deck trinken. Die Atmosphäre ist entspannt und lässig. Ein kahlköpfiger Mann in kurzer blauer Hose und mit Sonnenbrille kommt auf das Deck eines der Boote unter uns und schlägt sich auf den Bauch. Ich

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