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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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erwarte fast, dass er wie ein Seehund bellt.
    »Ich mag Alkohol nicht «, sagt sie zu mir, als die Drinks kommen. »Nicht so wie du. Ich fühle mich hinterher immer dumm und unglücklich. Und dieses Jahr habe ich mich, weiß Gott, oft genug unglücklich gefühlt. Owen, mir ist es schrec k lich ergangen. Ich weiß nicht mehr, wo ich in meinem eigenen Leben stehe. «
     
    Das Lieblingswort meiner Frau für ihre Schwester ist › dram a tisch ‹ . Wir waren einst auf einer Party in Joanies Apartment in Boston gewesen, als sie und Fred etwa ein Jahr verheiratet gewesen waren. Joanie, mitten in eine r f anatischen Fixierung auf Bauernkultur, hatte eine große karierte Bauernbluse mit Fransen an den Schultern und einen derben Baumwollrock getragen, der lediglich ihre Knöchel und die schmutzigen bl o ßen Füße sehen ließ. Morgan und ich waren noch nicht verhe i ratet gewesen, und ich hatte Joanie zuvor erst zwei - oder dre i mal gesehen. Sie hatte auch eine Privatschule besucht – eine Hochschule in New Hampshire, wohin ihr Vater sie in den beiden letzten Jahren ihrer Schulzeit geschickt hatte –, als Morgan und ich aufs College überwechselten.
    »Meine große Schwester! « hatte sie gerufen, während sie barfuss unter der Tür ihres Apartments stand. »Und Owen, der reizende, reizende Owen. « Als wir einander umarmten, spürte ich das kalte Messing eines riesigen runden Ohrrings an der Wange. Sie zog uns ins Apartment, indem sie rückwärts ging und uns beide an den Händen hielt. Nach dem lauten Ruf an der Tür starrten alle auf uns, während wir eintraten. »An alle, dies ist meine Schwester Morgan, und das ist ihr Freund Owen. « Höfliche, winzige Lächeln erschienen auf ihren G e sichtern. Ich war der einzige Mann im Zimmer, der einen A n zug anhatte.
    Morgan, in deren Gesicht ein freundlicher Ausdruck eing e ätzt war, ging ins Badezimmer. Ich folgte Joanie durchs Zi m mer, während sie mich vorstellte. »Owen, das ist Bill Hatchett, er ist an der CP, das ist Corliss Naumann, er ist auch an der CP, das ist Ron Goldman, er ist im SDS in Harvard, dies ist Cora Meldman, das ist Jane Hathaway. In der Küche ist Wein. Fred ist gerade einkaufen, neuen holen. Hast du einen Dollar? «
    Der Wein stand in Gallonenflaschen auf dem Küchentisch, inmitten von Frühstücksflockenschachteln und verschüttetem Zucker. In einer Milchlache lag, Umschlag nach oben, eine aufgeschlagene Ausgabe von Eros und Zivilisation mit Esel s ohren an den Ecken. Ich ergriff das Buch und legte es auf ein Handtuch. Auf einer geknickten Seite stand etwas geschrieben, eine kurze Anmerkung. Ich glättete die Seite: › unvernünftig im Hinblick auf Produktion ‹ , stand da. Die Handschrift war eckig und krakelig.
     
    »Ich fühle mich, als hätte ich mich irgendwo verloren, Owen, und jetzt kann ich mich nicht mehr daran erinnern, wo das war. Ich muss über mein Leben nachdenken, wie ich es wä h rend der Zeit mit Fred nie musste . Weißt du, wie man als High School-Student darüber nachdenkt. « Sie beschattet die Augen mit der Hand und schaut über die helle Bucht hinaus. Mit der Hand über den Augen, trinkt sie wieder einen großen Schluck von ihrem Drink.
    »Himmel, Owen, wie kannst du nur immer so ungerührt bleiben? «
    »Vielleicht verdränge ich einfach alles, was mich bestürzt «, sage ich. »Ich an deiner Stelle würde einfach einen oder zwei Monate alles schleifen lassen. Schlaf lange, lies eine Menge Bücher und vermeide Streit mit deinem Vater. «
    Sie nimmt die Hand von den Augen und sieht mich an, w o bei sie den Kopf so dreht, dass das Profil vor dem Hafen ist. In diesem Augenblick ist sie Morgan sehr ähnlich, eine größere, intensivere Version meiner Frau. »Aber ich muss mit ihm r e den, über mich oder über uns, und zwar ernsthaft. Ich finde, ich muss genau dort anfangen, mit Papa und mir, alles ins re i ne bringen. Puh. Trinken wir noch etwas. «
    Der Barkeeper taucht an ihrer Seite auf, eine makellose E r scheinung in Blütenweiß. »Noch zwei davon «, sagt sie. »Es ist Sonntag. «
    »Das Problem ist «, sagt sie, » dass Papa und ich immer im Streit miteinander lagen. Vielleicht deshalb, weil wi r e inander lieben, aber dennoch im Streit. Morgan war wie du, mit ihr konnte man leicht auskommen. Mutter nannte sie immer eine Politikerin, weil sie versuchte, stets zu schlichten. Morgan konnte sich immer mit alten Damen unterhalten, die sie zu T o de langweilten, und sie war immer höflich am Telefon. Sie war sogar besser

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