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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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Haut; dann sagte sie: »Weißt du, ich könnte es fertig bringen , dich zu hassen -und zwar ohne besondere Mühe. « Ich schloss die Augen vor dem roten Muster und spü r te gleichzeitig, wie sie die Hand wegnahm, dann hörte ich, wie sie die Badezi mm ertür hinter sich zumachte. Ihre Schritte e r klangen in der Diele. Verweilten. Kehrten zurück. Ich öffnete die Augen und sah meine Augen aus dem Spiegel heraussta r ren.
    Ich hörte ihre rufende Stimme aus dem Schlafzimmer. »Zwei Briefe. Einer von Joanie, und eine Karte von Mr. Franciscus. Er muss sie vor zwei Tagen in Stratford abg e schickt haben, bevor er hierher kam «. Trocken und frottiert ging ich ins Schlafzimmer, wo sie auf dem Bett saß und die Postkarte vor das Gesicht hielt. »Seine Handschrift wird j e des Jahr winziger. « Joanies Brief, ein dicker blauer U m schlag, lag auf dem weißen Laken. »Sieh mal, was du damit anfangen kannst. « Sie hielt mir die Karte hin und griff nach dem blauen Umschlag.
     
    Lieber Owen, liebe Morgan:
    Ihr müsst nach Stratford kommen, bevor Ihr England ve r lasst . Ich habe gestern Abend Richard III. gesehen, heute Abend werde ich Hamlet sehen und eine Matinee vom Sommernachtstraum – eines meiner Lieblingsstücke. Her r liche alte Stadt. Ann Hathaways Haus wurde niederg e brannt. Viele Straßenräuber. Zuviel Wasser in den Drinks. Freue mich schon darauf, Euch zu sehen und zum Essen einzuladen, also sucht ein gutes Restau rant aus. Komme am 30. Juli an. Alles Liebe, Mr. Franciscus.
     
    »Heiliger Himmel. «
    Sie las die zweite Seite von Joanies Brief, mit der anderen Hand strich sie sich über das Haar. »Heiliger Himmel. « Sie sah zu mir auf, ihre Augen und ihr Mund verrieten mir, dass sie erbost war, wütend. »Nun «, sagte sie, »das verändert meine Pläne für den Sommer. «
    Mir wurde eiskalt. »Was ist? « fragte ich albern. »Schlechte Nachrichten? «
    Sie tastete auf dem Laken nach der ersten Seite des Briefs. »Oh, das musst du lesen «, sagte sie. Ihre Stimme klang ruhig und entspannt. Mein Magen, der sich in seinem Öl verkrampft hatte, lockerte sich wieder. Mit unschuldigem und offenem Gesicht nahm ich den Brief von ihr. »Ich werde nicht schlau daraus «, sagte Morgan, »aber sie möchte, dass ich dorthin komme. «
     
    Liebe Morgan,
    die Idioten im Kibbuz werfen mich hinaus – aus moral i schen Gründen! Hier ist es genau wie in einer dieser Schwesternschaften am College. Ich gehe noch dieses W o chenende nach Haifa und suche mir eine Wohnung. Diese ganze Angelegenheit macht mich wahnsinnig.
    Letzte Woche hatte ich Schwierigkeiten mit der Lunge und musste vier Tage ins Krankenhaus – kein Schlaf & ich konnte keinen Bissen essen. G sei Dank, es war kein Ei n griff notwendig, aber ich fühle mich immer noch schwach und meistens müde. Ein Teil des Problems ist, dass ni e mand hier im Kibbuz mit mir reden möchte. Alle Freunde, die ich nach meiner Ankunft hier gewonnen habe, sind fort (konnte den Puritanismus nicht ausstehen, aber die amer i kanischen Juden sind anders !)
     
    »Bist du mit der zweiten Seite fertig? « fragte ich. »Was kommt als nächstes? «
     
    Der einzige Freund, den ich hier im Kibbuz noch habe; ist ein ausgeflippter Junge aus Philadelphia, der aussieht wie Bob Dylan. (Er ist einer der Gründe.) Trotzdem kann ich nicht schlafen. Herrgott! Ich finde, man sollte diese Gese t zeshüter außer Landes jagen. Die Kleingeister! Jetzt bin ich in seinem Zimmer und ruhe mich aus. (Er besitzt eine Menge Schallplatten.) Ich habe einen tollen & gut auss e henden Freund in Haifa, dessen Eltern in Israel sehr pop u lär sind – der Vater ist Politiker, die Mutter Schauspielerin. Ich hoffe, Du kannst ihn eines Tages kennen lernen . Wenn ich aus Haifa zurückkehre, werde ich nach Eilat gehen, e i nem abgelegenen Ort im Süden. Ich muss Dich sehen – so schnell wie möglich. Ich möchte mich nicht an Deiner Schulter ausweinen, aber ich muss Dich sehen. Sag Owen, er soll sich keine Sorgen machen. (Das ist wichtig, er ist so ein Schatz.) Aber bitte komme, wenn Du kannst – wenn Du es irgend möglich machen kannst.
    Alles Liebe,
    Joanie
     
    »Was ist auf der nächsten Seite? « fragte ich. »Eine Karte von Israel? «
     
    PS: Geh nicht nach Haifa – komm vom Flugzeug aus direkt nach Eilat. Wahrscheinlich wirst Du in Tel Aviv landen, und von dort kannst Du den Zug nehmen. Oder – hast Du immer noch Papas Kreditkarte? – nimm ein Hertz-Auto & fahre selbst. Vielleicht brauchen wir ein Auto. Ich

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