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Straub, Peter

Straub, Peter

Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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wartet eine Menge Arbeit auf mich …«
    »Mühe? Was heißt Mühe? Ich werde Ihnen etwas särr I n teressantes zeigen. «
    »Ich habe wirklich keine Zeit, Abe …« Aber da hielt er b e reits die Tür eines Taxis auf und forderte mich mit kleinen Stößen und Knüffen auf. Ich fügte mich.
    »Fortnum and Mason «, sagte er zu dem Fahrer.
     
    Fortnum and Mason hat mich immer eingeschüchtert. All di e se eleganten Herren im Frack scheinen mein Äußeres mit e i nem einzigen Blick ihrer durch nichts zu beeindruckenden Augen aufzunehmen und zu dem Ergebnis zu kommen, dass sie für immer und ewig mir überlegen sind. Soviel Herabla s sung ruht auf meinen Schultern. Aber Abe ließ sich von ihren starren Blicken nicht beeindrucken; er führte mich mit dem selbstbewussten Gebaren eines George Raft, der ein Kino betritt, in die Lebensmittelabteilung.
    »Was möchten Sie haben? « fragte er mich. »Kaviar? Lachs? Griechische Oliven? Trüffeln? Stehe zur Verfügung. «
    »Das ist lächerlich, Abe. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie mir etwas kaufen möchten, wäre ich nicht mitgekommen.«
    »Bitte keine Einwände. Möchten Sie Schinken? Eingelegte Artischockenherzen? « In einem Anflug von Erfi nd ungsreic h tum sah er sich in den Regalen um. »Hirn? Kandierte Hufe? Sagen Sie was, ich gebe es Ihnen. «
    Ich ging abgestoßen von ihm weg. »Besuchen Sie Joanie , mehr können Sie nicht für mich tun. «
    Er grinste auf nervtötende Weise. »Warten Sie, bis Sie me i nen Plan sehen. Ich bin ein Zauberer. «
    »Auf Wiedersehen, Abe. «
    Dann eilte er zu mir und flüsterte mir ins Ohr.
    »Warten Sie – sehen Sie. «
    Ich konnte mir auf sein Verhalten überhaupt keinen Reim machen, daher sah ich ihm verblüfft zu, wie er an den Reihen teuerster Waren entlangging und lange vor Tischen mit Kös t lichkeiten stehen blieb. Dann sagte er: »Fertig. Gehen wir. «
    Wir gingen zur Tür zurück und in die demokratische Luft hinaus. »Hierher – hierher! « Abe deutete mit dem Daumen auf eine Einfahrt, die zu einem schmalen Hof führte. Ich folgte ihm dorthin.
    »Hier, das alles habe ich für Sie «, sagte er. Er sah böser denn je aus, und mir kam der Gedanke, dass er mir ein unzüc h tiges Angebot machen würde. Was er dann tatsächlich tat, war sogar noch verblüffender.
    Aus den voluminösen Taschen des Mantels holte er winzige Flaschen, Dosen, Töpfchen voll Käse, Gläser mit merkwürdigen, in Öl eingelegten Dingen, Oliven, Früchte, Fleischpäckchen.
    »Herrgott! « rief ich aus. »Haben Sie das alles gestohlen? «
    Er lächelte unverblümt und breitete die Arme aus. Die Be u te lag auf dem Gehweg zu seinen Füßen; er sah wie ein Pascha aus, der seinen Reichtum zeigt. »Alles für Sie «, sagte er. »Es ist ein Zeichen meiner tiefen Freundschaft und meines großen Repekts für Sie und Ihre erfolgreichen Geschäftspraktiken. «
    »Verdammt – ich kann diese Sachen nicht nehmen!
    Glauben Sie nicht, dass man sie vermissen wird? « Ich hörte bereits Schritte, die vom Piccadilly herabeilten.
    »Kein Problem, kein Problem, mein lieber Owen. Das ist ein Geschenk von mir «, sagte er. »Ich habe es – möglicherwe i se eigennützig – schon häufig getan, aber jetzt tat ich es nur, um Freude zu schenken. « Er klang, als wäre er ein großer Ge i ger, der nach langer Pause endlich wieder ein Konzert gegeben hat.
    Ich drückte die Luft mit beiden Händen nach unten – eine Geste der Ungeduld – und ließ ihn stehen, inmitten der A n sammlung von Gläsern und Flaschen, wo er immer noch hinter mir her grinste. Danach dauerte es zwei Wochen, bis er wieder kam, um Joanie zu sprechen; den Zwischenfall erwähnte er niemals wieder. Ich wusste auch nie, wie ich ihn zur Sprache bringen sollte. Zu dem Zeitpunkt wusste aber selbst Joanie, dass er sie wegen Sheila Goldsmith verlassen hatte.
     
    Ich betrat wie gewöhnlich die Eingangshalle und schritt an den Glasschaukästen der Werbung und den dunklen Glastüren der Geschäfte vorbei, als wäre ich der Botschafter eines kleinen aber unermesslich reichen Landes. Am Empfang betrachtete man mich ungläubig, als ich an der Rezeption glatt vorbei ging. Auf mein Drücken hin öffnete sich der Fahrstuhl summend.
    Das Zimmer, in dem wir uns trafen, befand sich im sechsten Stock des Hotels und hatte zwei große, durchsichtige Fenster, aus denen man einen Ausblick auf Piccadilly hatte. Von der Straße drang das Brausen und Hupen der Autos herauf und glitt wie träge Fische in das abgedunkelte Zimmer. Wenn

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