Streiflichter aus Amerika
von ihrer Veranlagung her unfähig sind, einen Scherz zu verstehen. Ich habe gerade Im Lande des Zauberers Oz von Howard Jacobsen, einem Mann von großer Intelligenz und kritischem Urteilsvermögen, gelesen, und er behauptet ganz nebenbei: »Amerikaner haben keinen Humor.« Man braucht nicht länger als einen Nachmittag, um in modernen Abhandlungen dreißig, vierzig Bemerkungen dieser Art zu finden.
Ich verstehe die Meinung, aber sie ist doch grundfalsch. Wenn wir auch nur einen Moment nachdenken, fällt uns sofort ein, daß viele der witzigsten Leute, die je gelebt haben, Amerikaner waren oder sind: Die Marx Brothers, W. C. Fields, S. J. Perelman, Robert Benchley, Woody Allen, Dorothy Parker, James Thurber, Mark Twain. Und – auch das liegt auf der Hand – sie wären nie so berühmt geworden, wenn sie nicht ein großes Publikum, das sie zu schätzen wußte, im eigenen Land gefunden hätten. Es ist also nicht so, daß wir hier keinen guten Scherz zu goutieren wissen oder nicht gelegentlich selbst einmal scherzen.
Freilich trifft es zu, daß Sinn für Humor nicht eine solch geachtete Tugend ist wie zum Beispiel in Großbritannien. Der Komiker John Cleese hat einmal gesagt: »Ein Engländer würde lieber hören, er sei ein schlechter Liebhaber, als daß er keinen Humor habe.« (Alles in allem betrachtet, auch besser so.) Ich glaube nicht, daß viele Amerikaner das gern von sich hören würden. Hier ist es löblich, ja bewundernswert, wenn man Sinn für Humor oder eine Nase für Wein hat, gut Auto fahren oder das Wort »Feuilleton« korrekt aussprechen kann, aber lebenswichtig ist es nicht.
Es gibt aber durchaus auch Leute mit einem ausgeprägten Sinn für Humor. Es sind einfach nur weniger. Wenn man einem begegnet, passiert wahrscheinlich dasselbe, wie wenn sich zwei Freimaurer in einem Raum voller Menschen erkennen. Als ich zum Beispiel vor ein paar Wochen hier bei uns auf dem Flughafen ankam, wollte ich mit dem Taxi nach Hause fahren und ging auf eines zu.
»Sind Sie frei?« fragte ich den Fahrer arglos.
Er schaute mich mit einer Miene an, die mir gleich vertraut war – dieser Mann wußte eine schlagfertige Antwort zu geben, wenn sie ihm in den Mund gelegt wurde.
»Nein«, sagte er mit gespieltem Ernst. »Ich kassiere wie alle anderen auch.«
Am liebsten hätte ich ihn umarmt, aber damit hätte ich den Scherz natürlich zu weit getrieben.
Der Katastrophentourist
Ich kann vieles nicht sehr gut. Vielleicht am wenigsten gut in der wirklichen Welt leben. Ich bin immer voller Bewunderung dafür, was andere Menschen alles ohne erkennbare Schwierigkeit schaffen, das weit jenseits meines Vermögens liegt. Wie oft ich in einem Kino die Toilette gesucht habe und schließlich in einem Durchgang auf der falschen Seite einer sich selbst schließenden Tür gelandet bin, kann ich Ihnen gar nicht sagen. Im Moment ist meine Spezialität, zwei-, dreimal zur Hotelrezeption zurückzugehen und zu fragen, welche Zimmernummer ich habe. Kurz und gut, ich bin ein rechter Schussel.
Was ich wieder einmal unter Beweis stellte, als wir das letztemal mit der ganzen Familie eine große Reise unternahmen. Es war Ostern, und wir wollten für eine Woche nach England fliegen. Als wir am Flughafen Logan in Boston eincheckten, fiel mir plötzlich ein, daß ich gerade erst mit dem Oftfliegerprogramm von British Airways angefangen hatte. Mir fiel außerdem ein, daß ich die dazugehörige Karte in die Reisetasche gesteckt und die wiederum um den Hals gehängt hatte. Und da fing der Ärger an.
Der Reißverschluß der Tasche klemmte. Also zog und zerrte ich ächzend und stirnrunzelnd und mit wachsender Bestürzung ein paar Minuten lang, aber das Ding rührte sich nicht vom Fleck. Ich zog fester und fester und ächzte noch ein bißchen mehr. Na, Sie erraten schon, was dann passierte. Plötzlich gab der Reißverschluß nach. Die Tasche klappte jäh auseinander, und der gesamte Inhalt – Zeitungsausschnitte und andere lose Papiere, eine Zweihundertgrammdose Pfeifentabak, Pässe, Zeitschriften, englisches Geld, Filme – verteilte sich munter in hohem Bogen auf einer Fläche von etwa der Größe eines Tennisplatzes.
Fassungslos sah ich zu, wie hundert sorgsam geordnete Dokumente in einer Kaskade herniederflatterten, Münzen klimpernd auf Nimmerwiedersehen in alle Richtungen stoben und die Tabaksdose – nun ohne Deckel – wie toll durch die Halle rollte und ihr Inneres ausspie.
»Mein Tabak!« schrie ich entsetzt, weil mir schwante, was ich
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