Streiflichter aus Amerika
berühmten Lockerheit der Leute, der schwindelerregenden Überfülle an allem und jedem, der schier grenzenlosen, wundersamen Leere eines amerikanischen Kellers, dem Entzücken, gutgelaunte Kellnerinnen zu erleben, der seltsam erstaunlichen Erfahrung, daß Eisessen kein Luxus ist.
Außerdem widerfuhr mir ständig die unerwartete Freude, den Dingen wiederzubegegnen, mit denen ich aufgewachsen war, die ich aber großteils vergessen hatte: Baseball im Radio, das zutiefst befriedigende Boing-bäng einer zuschlagenden Fliegengittertür im Sommer, lebensgefährliche Gewitterstürme, richtig hohen Schnee, Thanksgiving und der Vierte Juli, Glühwürmchen, Klimaanlagen an unerträglich heißen Tagen, Jell-o-jelly, (Wackelpeter mit echten Fruchtstückchen, den zwar keiner ißt, der aber hübsch aussieht, wenn er einfach so auf dem Teller vor einem schwabbelt), der angenehm komische Anblick, sich selbst in Shorts zu sehen. Eigenartig, das bedeutet einem doch alles sehr viel.
Letztendlich hatte ich also unrecht. Man kann wieder nach Hause zurückkehren. Hauptsache, man bringt ein bißchen Extrageld für Straßenkarten mit und merkt sich das Wort Spackle.
Hilfe!
Neulich rief ich meine Computer-Hotline an, weil ich mal wieder wissen wollte, wie es ist, wenn ein viel Jüngerer einen als Blödmann abstempelt. Der jugendlich klingende Mensch am anderen Ende der Leitung sagte mir, er brauche die Seriennummer auf meinem Computer, bevor er mir weiterhelfen könne.
»Und wo finde ich die?« fragte ich mißtrauisch.
»Sie ist unter der zentralen Funktionseinheit des Gleichgewichtsstörungsaggregats«, sagte er oder Worte ähnlich verblüffenden Inhalts.
Sehen Sie, deshalb rufe ich die Computerinfonummer auch nicht oft an. Wir haben noch keine vier Sekunden gesprochen, und schon spüre ich, wie ich in einem Strudel von Ignoranz und Scham in die eisigen Tiefen eines Meeres der Demütigung hinabgezogen werde. Schicksalsergeben weiß ich, daß der junge Mann mich nun jeden Moment fragt, wieviel RAM ich habe.
»Steht das irgendwo in der Nähe des Bildschirmdingsbums?« frage ich hilflos.
»Kommt drauf an. Haben Sie das Modell Z-40LX Multimedia HPii oder das ZX46/2Y Chrom BE-BOP?«
Und so plaudern wir dann weiter. Mit dem Endergebnis, daß die Seriennummer meines Computers in eine kleine Metallplakette am Boden des Gehäuses eingestanzt ist – dem Gehäuse mit der CD-Schublade, die zu öffnen und schließen solchen Spaß macht. Sie können mich ja einen idealistischen Narren nennen, aber wenn ich alle Computer, die ich verkaufte, mit einer Identifikationsnummer versähe und dann von den Benutzern verlangte, daß sie die jedesmal, wenn sie mit mir reden wollten, parat hätten – dann würde ich sie eher nicht so anbringen, daß man immer, wenn man sie herausfinden will, Möbel rücken und den Nachbarn zu Hilfe holen muß.
Aber darum geht's mir im Moment nicht.
Mir geht's darum, daß die Nummer meines Modells CQ 124765900-03312-DiP/22/4 oder so ähnlich lautete. Warum? Warum um Himmels willen braucht mein Computer eine derart atemberaubend komplizierte Kennzeichnung? Bei diesem Numeriersystem gäbe es immer noch genügend freie Zahlenkombinationen, wenn jedes Neutrino im Universum, jedes Materienpartikelchen zwischen hier und dem letzten Wölkchen des verwehenden Urknallgases einen Computer von dieser Firma kaufen würde.
Neugierig geworden, unterzog ich alle Nummern in meinem Leben einer genaueren Betrachtung, und fast jede war absurd übertrieben. Meine Scheckkartennummer hat zum Beispiel dreizehn Ziffern. Das reicht für fast zehn Billionen potentielle Kunden. Wen wollen sie verarschen? Meine Kundenkartennummer bei der Autovermietung hat nicht weniger als siebzehn Ziffern. Sogar mein Videoladen um die Ecke scheint 1999 Billionen Kunden in seiner Kartei zu haben (was vielleicht erklärt, warum L. A. Confidential nie da ist).
Aber bei weitem am imponierendsten ist meine Blue-Cross-/BlueShield-Krankenversichertenkarte – die Karte, die jeder Amerikaner bei sich tragen muß, wenn er nicht an einem Unfallort liegengelassen werden will. Sie identifiziert mich nicht nur als Nummer YGH475907018 00, sondern auch als der Gruppe 02368 zugehörig. Vermutlich ist in jeder Gruppe ein Mensch mit derselben Nummer, wie ich sie habe. Da könnte man ja beinahe auf die Idee kommen, Treffen zu veranstalten.
All das ist aber nur der langen Vorrede kurzer Sinn, um zum Hauptpunkt unserer heutigen Erörterung zu kommen, nämlich einer der
Weitere Kostenlose Bücher