Streiflichter aus Amerika
Bedürfnisse man hatte herausfinden wollen.
Danach wollten die Passagiere »eine saubere, sichere und zuverlässige Fluggesellschaft, die sie pünktlich und mit ihrem Gepäck dorthin bringt, wo sie hinwollen«.
Gute Güte! Da muß ich gleich Stift und Block zücken! Haben die Leute gesagt, » mit ihrem Gepäck«? Wahnsinn!
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich glaube keine Sekunde, daß Amerikaner von Natur aus dümmer oder hirntoter sind als andere Menschen. Man bemüht sich nur routinemäßig, ihnen in allen Lebenslagen das Denken zu ersparen, und nun haben sie es sich abgewöhnt.
Was zum Teil dem – wie ich es nenne – »London, England«Syndrom zuzuschreiben ist, dem Brauch unserer Zeitungen, ihren Artikeln Stadt plus Land voranzustellen. Wenn beispielsweise die New York Times über Parlamentswahlen in Großbritannien berichtet, beginnt sie die Story mit »London, England«, damit bloß kein Leser überlegen muß: »London? Mal sehen, ist das in Nebraska?«
Im Alltagsleben hier findet man diese kleinen Krücken überall, bisweilen in erstaunlicher Anzahl. Vor ein paar Monaten schrieb ein Kolumnist im Boston Globe über unfreiwillig komische Anzeigen und Bekanntmachungen – wie etwa das Schild in einem Optikerladen: »Wir überprüfen Ihre Sehstärke, während Sie hier sind« – und erläuterte dann gewissenhaft, was bei jeder einzelnen nicht stimmte. Zitat: »Natürlich wäre es schwierig, die Sehstärke überprüfen zu lassen, ohne daß man dabei ist.«
Zum Schreien, aber kein Einzelfall. Erst vor einigen Wochen machte ein Schreiber im New York Times -Magazin genau das gleiche: In einem Essay über amüsante sprachliche Mißverständnisse analysierte er sie der Reihe nach. Er erzählte zum Beispiel, daß ein Freund von ihm immer gedacht habe, die Textzeile in dem Beatles-Song »Lucy in the Sky« laute »the girl with colitis goes by «, und enthüllte dann glucksend, die Zeile heiße in Wirklichkeit – na, Ihnen brauche ich nicht zu sagen, daß das Mädel keinen Dickdarmkatarrh hatte, sondern »kaleidoscope eyes«...
Sinn und Zweck des Ganzen ist, den Leuten das Denken abzunehmen. Ein für allemal. Jüngst bat mich eine amerikanische Publikation, eine Bemerkung zu David Niven herauszunehmen, »weil er tot ist und wir der Meinung sind, daß viele unserer jüngeren Leser/innen ihn nicht mehr kennen«.
O ja, stets zu Diensten.
Bei einer anderen Gelegenheit erwähnte ich jemanden, der in Großbritannien eine staatliche Schule besucht, und da sagte der amerikanische Redakteur: »Ich dachte, in Großbritannien hätten sie keine Bundesstaaten.«
»Ich meine ›staatlich‹ im weiteren Sinne.«
»Also eine öffentliche Schule, eine public school.«
»Hm, nein, public schools in England sind Privatschulen.«
Lange Pause. »Sie wollen mich auf den Arm nehmen.«
»Nein, das weiß doch jedes Kind.«
»Verstehe ich Sie denn also richtig, daß in Großbritannien public schools privat sind?«
»Jawohl.«
»Und wie heißen dann öffentliche Schulen?«
»Staatliche Schulen.«
Noch eine lange Pause. »Aber ich dachte, sie hätten keine Bundesstaaten.«
Schließen wir nun mit meiner Lieblingsdummheit, der Antwort Bob Doles auf die Frage, wie er den Hauptinhalt seiner Wahlkampagne definiere.
»Es geht um die Zukunft«, erwiderte er gewichtig, »denn auf die bewegen wir uns zu.«
Das Schreckliche ist: Er hat recht.
Risiken und Nebenwirkungen
Wissen Sie, was ich wirklich vermisse, seit ich nicht mehr in England bin? Ich vermisse, in leicht angesäuseltem Zustand um Mitternacht nach Hause zu kommen und im Fernsehen die lehrreichen Sendungen der Open University zu gucken. Ehrlich.
Wenn ich jetzt um Mitternacht nach Hause käme, fände ich in der Glotze nur Scharen wohlproportionierter, hüllenlos herumtollender Grazien plus den Wetterkanal, der auf seine Weise, das gebe ich ja zu, ganz unterhaltsam, aber kein Vergleich ist mit der hypnotischen Faszination der Open University nach sechs Gläsern Bier. Und das meine ich todernst.
Ich weiß partout nicht, warum, aber ich habe es immer seltsam unwiderstehlich gefunden, wenn ich in England spätnachts den Fernseher einschaltete und einen Burschen erblickte, der aussah, als hätte er alle Klamotten, die er je brauchen würde, 1977 bei einem Einkaufstrip zu C & A erstanden (damit er den Rest seiner Tage ungestört vor Oszilloskopen verbringen kann) und der mit einer eigenartig unpersönlichen Stimme schnarrte: »Und nun sehen wir, daß wir, wenn wir zwei
Weitere Kostenlose Bücher