Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene
ir den Weg zu e t w a s mit d e m N a m e n Meridianstötten w ies. I c h beschloß zu e rkunden, w a s si c h dah i nter verbarg, und folgte e i n e m P fad an der dem tosenden Meer z ug e w andt e n Seite der L a ndspitze. Hier wütete der Stu r m no c h s c hl i mmer. Z w ei mal hätte er mich fast ho c hg e hoben und ein i ge Meter vor si c h her ge t ragen. N ur die Spitzen m ei ner Stief e l berührten noch den Boden. Breitete ich die A r m e a us, glitt ich nur v o m W i nd g e trieben a uf den S c huhs o hlen dah i n. Es m a c hte ungl a ublich e n Spaß. Irisches Windsu r f i ng nannte ich es und ergötzte mi c h daran, bis ein une r w arte t er Windstoß m ir die Beine w e griß. Ich sch l ug so h e ft i g mit d e m Kopf a uf das E i s, daß mir plötzli c h w ieder einfiel, w o ich vor Monaten den Schlüssel zum Kohl e nschuppen lieg e ngel a ss e n h a tte. Die K opfschmerzen und der Gedanke, die nächste Böe könnte mich i ns Meer schleudern, w ie z w ei S t und e n zu- vor den P appkarton, ließ e n m i c h von dieser Sportart A bst a nd nehm e n. Den R e st des Weges zum Meridianstött e n legte ich mit äußerster Vorsicht z urü c k.
Meridianstött e n w ar e i n Obel i sk, w i e sich her a usstellte. Er stand a uf ein e m H üg e l i nmitten einer L a ndsch a ft a us L a gerhäusern. Später erfuhr i c h, daß m a n i hn zum Gedenk e n a n die erste w issenschaftli c he Ve r m essung des Erdumf a ngs errichtet h a tte, die i m Jahr 1840 genau an dieser St e lle abg e schl o ss e n w orden w ar. (Die z w eite h i storische Besonderheit von H a mme r fest ist, daß es a l s erste Stadt Europas m it elektrischer Straßenbel e uch t ung versorgt w urde.) Unt e r größt e r Anstr e ngung kletterte i c h z um Obel i sk e n h i nauf, das S c hneetreiben w ar j edoch in z w is c h e n so dicht, daß ich die Inschr i ft n i cht les e n konnte. Noch a uf d e m Rü c k w e g i n die Stadt n a hm i c h mir vor, an ein e m a nderen T ag w ieder z uk o mm e n, doch ich w ar bis heute ni c ht dort.
Am A bend spe i ste i c h i m Rest a urant des Hote l s, g ö nnte mir ans c hließend a n der Bar ein paar Bier für fünfz i g Öre pro Sch l u c k und dachte, daß sich der Laden si c her bald m it L e ben fü ll en w ürde. Es w ar schließlich Si l vester. A ber es blieb so ruh i g w ie in e i ner Lei c henhalle mit A l koholauss c hank. Z w ei M ä nner i n Rentie r- P ullovern saßen vor ihren G l äsern und starrten s c h w e i g e nd in den leeren R a um. Na c h einer W e ile b e m erkte ich e in e n w e i teren Gast, der allein in e i ner dunkl e n E cke saß. Nur se i ne glüh e nde Z i garette verriet ihn i n der Dunk e lhe i t. A l s der Kellner k a m , um me i nen T eller abzuräumen, fragte ich ihn, was m a n a n e i n e m A bend w ie dies e m i n H a mmerf e st untern e hmen k ö nne. Er überlegte ein e n M o ment und sch l ug dann vor: » Wa r um g e hen Sie nicht zum P ost a mt und zünden die T elefonbücher an ? «
Das hat er natürli c h ni c ht ges a gt, als er mir n ä mli c h gerade an t w orten w ollte, meldete si c h die eins a me Gestalt i n der Ecke zu Wort, w as si c h in e t w a so ang e hört haben muß: » H e y, du trübe T asse, du dä m lich e s S t ück Rentiers c heiße, w ie l a nge soll das noch dauern, bis m an hier m al bedient w ird ? « , denn der Kellner ließ s o abrupt m e i nen T eller auf den T isch fall e n, daß das Beste c k zu t a nzen begann, ging s c hnurstra c ks auf d e n M a nn z u, ze r rte ihn w uts c hnaub e nd v o m S t uhl, s c hob ihn unter großen Sc h w i e rigke i ten zur T ür und stieß i hn in d e n S chnee h i naus. A ls er mit gerö t et e m G e sicht und un r uhig e m Bli c k wieder an m e i nen T isch k a m , sagte i c h heiter » I c h hoffe, Sie begl e it e n ni c ht all Ihre Gäste so zur Tür ! « , aber er w ar ni c ht i n der St i mmung für Witze und en t f e rnte si c h eing e s c hnappt. So sollte ich nie erf a hren, w ie m a n si c h a n ein e m A b e nd w ie dies e m in H a mm e rfest die Zeit vertreiben k o nn t e, es sei denn, e s w ar e in e m d a nach zumute, T elefonbü c her i n Brand zu steck e n, Kel l ner zu bele i digen oder zu heulen.
Eine halbe S tunde vor Mitte r nacht - in der Bar herrs c hte noch i mmer gähn e nde Leere - verließ i c h das Hotel, um h e rauszuf i nden, ob anders w o mehr los w ar. Der Wind hatte sich gelegt, denn o ch w ar e n die Straßen so gut w ie leer. In j edem F e nster brannte L i cht,
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