Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene
r zen. Was bleibt ein e m da anderes übrig, als si c h d a von z us c hle i chen und sich mit d e m Ged a nk e n z u tröst e n, daß m an j a in vier T agen in Brüssel ist und dann ve r mutli c h au c h w i e der et w a s zu e ss e n bek o mm e n w ird? Und noch e t w a s an den Franzosen ist mir bis heute ein Rätsel: ihre Undankbarkeit. Da w ir es w a ren, die sie befreit haben - und, seien w ir e hrlich, die fr a nzös i sche A r mee w äre doch ni c ht e i nmal in der L a ge g e w es e n, e i ne w eibli c he H o ck e ym a nnsch a ft z u s c hlag e n -, müßt e n sie doch e i gen t lich j edem a l liierten Besucher i hr e s L a ndes m i ndest e ns ein Gr a tisgetr ä nk im P igalle und eine Fre i kar t e für den Eiffel t u r m spendieren. A ber sie danken e s uns ni c ht. Ich habe Belgier und Holländer getroffen, die sich vor lauter Dank b arkeit für die Befreiung i hres Landes a n m e i ne K nie kl a mmert e n, so daß ich sie die Straße entl a ng schleifen mußte, und das, o b w ohl i ch ihn e n versi c hert habe, daß es m ich 1 945 noch nicht einmal als S a menfad e n gab. In Frankreich w ird ein e m so et w a s w o hl kaum passieren.
Am A b e nd m a c hte ich mi c h zu F uß auf d e n Weg z ur Ile de la Cite und Notre-D a m e. I c h k a m durch j ene Viertel, in d e n e n dunke l häu t ige M ä nner in gestre i ft e n bretonisch e n H e m d e n an Latern e npfähl e n l e hnen, sich m i t i hren Klappmesse r n die Z ä hne säubern und ein e m vor die F üße s p uck e n. Doch kaum ha t te i c h die Se i ne erreicht, bot sich mir ein pe r fektes Bi l d. Es w ar ein sch ö ner A bend i m März, und e i n H a uch v o n Frühl i ng l a g i n der Luft. Ich stand a uf der P ont de Sul l y, und vor mir l a g die Ile St L o uis, sc h w ach l e ucht e nd und auf dem F l uß treibend w ie eine V i sion, e i n m i ttelalterl i ches Dorf, das auf w unders a me Weise i nmitt e n einer m ode r nen Stadt überlebt hat. Ich überquerte die Brücke und s c hlenderte dur c h die e ng e n G a ss e n, halb darauf g e faßt, über ga c kern d e Hühner zu stolpern oder Bauern z u begegnen, die mit P estopfern beladene Karren vor sich her schoben. Doch statt dess e n entdeckte ich schicke R e st a uran t s und hübs c he A ppart e m e nts i n den alt e n H ä use r n.
Es w ar kaum eine M e ns c h e nseele zu s e hen - i n d e n Restaur a nts saßen e i n paar Gäste, in ein e m H a useing a ng knuts c hte ein P ärchen, und e i ne Frau mit P el z m a ntel e r munterte ihr e n P udel, auf d e m Gehst e ig un doodoo zu machen. In den Fenstern d e r oberen Stock w erke brannte Li c ht, und von der Straße sah ich R e gale voller Bücher an den Wänd e n, F ensterbänke voller w uche r n d er T opfpflanz e n und dekorative Ant i quitäten. Es muß herrlich se i n, in e iner solch e n Straße, auf e iner solchen Ins e l und a n e i n e m sol c h e n F l uß z u leben. Wer großes Glück hat, w ohnt an der Westseite der Insel, w o die Straßen z w ar belebter sind, m a n aber aus sein e m Wohnz i mme r fenster a uf Notre-D a me bli c ken k a nn. Ich be z w e i fele, daß m a n dieser Aussi c ht je m a l s müde w ird. N ur i m August, w e nn Reisebusse und e i ne M illion Besu c her i n grellbunt e n Be r mudashorts d i e Straßen verstopf e n, m a g si c h die Beg e isterung e i n w e n i g leg e n.
Selbst j etzt w i mme l te es in den Straßen rund um die Kathe d rale noch von Mens c hen. Es w ar acht Uhr, doch in den S o uvenirläden herrschte na c h w ie vor Hoch b etrieb. Ich m a c hte e i nen g e m ä chli c hen Rundg a ng um Notr e -D a me und beugte mich über ein Geländer an der Seine, um den bete a uxm o uch e s na c h z us c hau e n, die m it Neonlichtern g e schmü c kt w ie sch w i mmende Mus i kboxen über den
Fluß glitt e n. Es w ar unbeschr e iblich r o m a ntis c h.
Ich aß in e i n e m halbleer e n Rest a urant besch e iden z u Abend und schl e nderte ans c hließ e nd über den Fluß zu S h a kespeare & Co., einer herrlich muff i gen, e ng l ischsprach i g e n Buchh a ndlung voller Spinn w eben und längst verg e ss e ner R o mane v o n S c hr i ftst e llern w ie Wa r w ick Deep i ng. In allen Räu m e n stand e n S t ühle und abg e w etzte Sofas, auf den e n es si c h j unge Leute mit sehr intell e ktu e ll e n Brillen bequ e m g e ma c ht h a tten und lasen. Off e nsi c htli c h las e n sie die Bücher von vo r ne bis h i nten, denn ich b e m e r kte, w ie ein euleng e sichtiger j unger M a nn
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