Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene
Stereo t y pen gerecht w erden. Schon i m sechz e hnten Jahrhundert b e schrieben R e is e nde die Ita l iener als redselig, unzuverlässig und hoffnungsl o s korrupt, die Deutsch e n als gefräß i g, die Sch w eizer als übereifrig und übertrieben ordentlich, die Franzos e n als, nun j a, als une r trägli c h fr a nzösis c h.
In P aris steht man st ä ndig vor ein e m dieser m o num e nt a len P lätze, die zu Fuß zu überqueren beinahe un m ö gli c h ist. A l s m e ine Frau und ich w ähr e nd unserer Flitter w o c hen i n P aris w aren, h a ben w ir törichte r w e ise versu c ht, den P lace de la Concorde zu überqueren, ohne vorher unsere N a men in der Botsch a ft zu h i n t erlassen. Irgen d w ie h a tte sie es g e schafft, den Obel i sken i n der Mitte zu erreichen. Ich dag e g e n w ar i n ein e m Circus M a x i mus aus Kille r m obil e n g e strandet, w i nkte hi l flos m e iner Liebst e n zu und w i mmerte le i se vor mich hin, w ä hrend Hunderte von kle i nen, gel b braunen Ren a ul t s auf mi c h zuhi e lten, deren F a hrer ausnahmslos denselben G e sichts a usdru c k hatten w ie Jack Ni c holson i n B atman.
In dieser Hinsi c ht h a t si c h P aris ke i n bißch e n ver ä ndert. An der P la ce de la Bastille, ein e m ries i gen freien P latz, der an seiner Nordostseite von d e m funk e lnd e n Bau w e r k der n e uen P ariser Oper beherrscht w ird, st a nd i c h e i ne ges c hl a gene Dreivierte l s t unde und versu c hte, von der Rue de L y o n zur Rue de S t Antoine z u gel a ng e n. Die Fußg ä nger a m pe l n a n sol c hen P lätzen dien e n n ä mlich nur de m e i nen Z w e c k, a usl ä ndis c he Besu c her zu ve r w irren, zu d e müt i gen und, w e nn m ö glich, z u el i m i nieren.
Und so funktioniert das Ganze: Man erreicht ein e n P latz, und der ges a mte Ve r kehr st e ht, die F ußg ä nger a mpel aber ist rot, und m a n w eiß nur z u g e n a u, daß alle Autos i n d e m Mom e nt Gas geben und einen i n e i ne h a uch d ünne C r epe ver w a nde l n w ürden, i n d e m m a n auch nur e in e n Fuß auf die St r aße setzt. Also w artet man. N ach e i ner Minute k o mmt e in Blind e r daher und überquert d i e w e ite, kopfste i ngepfl a sterte Ebene ohne z u zögern. D a nn rollt eine neunz i g j ährige D a me i n ein e m m otorisiert e n Rol l s t uhl h e ran und ru m pelt über das Kopfstein p flaster z ur 400 Meter entfe r n t en S e ite des P latzes.
Man selbst ist sich unter d ess e n un a ngen e hm b e w ußt, daß d ie Augenpaare aller Aut o fah r er i m U mkreis von 150 Metern e r w artungsvoll auf ein e n ger i chtet s i nd. A l so tut m a n so, als w olle man die Straße eigen t lich gar nicht überqueren, als sei m a n vie l mehr gek o mmen, um diese i nteressante Laterne der Jahrhunder t w e nde zu bestaunen. Es verg e ht eine weitere Minute, und 150 Vorschu l k i nder w erden v o n ihr e n L e hrern über die Kreuzung getrieb e n. Dann k o mmt der blinde Mann a us d er Gegenri c htung m i t z w e i v o llen Einkaufstas c hen zu r ück. Und e ndlich s c haltet die F ußg ä ngera m p e l a uf Grün, m a n tritt a uf die S traße, und alle Autos s t ürm e n auf e inen los. Und es ist m ir egal, w ie paranoid oder irrational das klingen mag, aber für m i c h st e ht fest, die Ein w o hner von P aris w oll e n m e i n e n T od.
Schließli c h gab ich meine Versu c he auf, überhaupt irgend w e lche Kreuzungen z u überqueren, und fo l gte nur noch den Straßen, die a m w e n i gst e n bedrohlich s c hi e nen. I nfo l gedessen hatte i c h e i nige Sch w ier i gkeit e n z u übe r w i nden, bis i c h a m f r ühen N achmitt a g endlich vor d e m Louvre st a nd, in dessen Eing a ngsh o f sich e i ne Mens c h e ns c hlange gebildet hatte, lang und reglos w ie ein verg e ss e ner Gartens c hl a uch.
Ich stand unsch l üss i g he r u m . Sollte ich mich h i nten a nstellen oder später w iederk o mm e n, in der sch w ach e n Hoffnung, der Andrang könnte dann nachgel a ss e n h a ben, oder sollte ich es m a c h e n w ie ein Franzose und e i nfa c h h i n e ing e h e n? Die Franzos e n waren da erstaunli c h skrupellos. A lle paar Minut e n n ä herte sich e iner d e m Anfang der S c hl a nge, bli c kte sche i nbar i nteressiert a uf se i ne A r m b a nduhr, kroch i m nä c hst e n M o m e nt unter der Absperrung durch und versc h w and zus a mmen mit den erst e n aus der Schl a nge durch die Eingangs t ür. Ich w a r überrascht, daß ni e m a nd protestierte. Nach i
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