Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene
einen K ni c k i n eine Seite m a chte und das Buch a n s e in e n P latz i m Regal zu r ü c kstel l te, bevor er mir e i n e n bösen Blick zu w a r f und in die Nacht en t sch w a nd. Es herrschte eine ang e n e h m e, c lub ä hn l iche A t m o sphäre, aber w ie si c h der Laden über Wasser hä l t, ist mir e i n R ä tsel. Nicht nur, daß der Mann a n d er Kasse sich t lich unterbes c häftigt w ar - se i n e i gen e s Bu c h mu ß te e r nur h i n und w ieder kurz aus der Hand l e gen, um e i n e n ger i ngfügig e n Geldbetrag en t g e gen z unehm e n -, vor allen D i ngen muß doch die L a ge des Ladens an d e n U f e rn der Seine, direkt i m S c h a tten von Notre-D a m e, die Miete i n ast r on o m is c he Höh e n treiben.
Überall sonst auf der Welt hätte m an S h a kespeare & Co. in einen Souv e nirsupe r m a r kt ve r w andelt und ihn b i s unte r s Dach mit Minia t urausgab e n von Notre-D a me, Q uas i modo-Asch e nbechern, P ostkarten und OO LA LA T -Shirts g e füllt. Oder i n e i nes dieser Schnellc a fes, in den e n die K ellner von ein e m T is c h z um anderen hast e n, e i nen vierz i g M i nut e n w arten lass e n, bis sie die Bestellung aufn e hmen, und dann klarst e llen, daß m a n g a nze fünfun dz w a nz i g Sekund e n Zeit hat, um se i n e n Ros i nenkuch e n z u vers c hl i ng e n, d e n Kaffee h i nunter z uspülen und zu vers c h w i nden. Daß Sh a k e speare & Co. es g e sch a fft hat, dies e m k l ägli c hen Schi c ksal zu e n t g e hen, gr e nzt für mich a n ein Wunder. Als i ch den Buchladen verließ und mi c h auf den Rü c k w e g zum Hotel b egab, betrachtete ich P aris m it vor B e w underung verklärten Augen.
Am nä c hst e n Mo r gen st a nd i ch früh a uf und ma c hte ein e n l a ngen Spaziergang d urch die noch schlaf e nden Straßen. I c h l iebe es, mit z uerleben, w i e e i ne S tadt e r w a c ht, und P aris e r w a c ht s c hlagar t ig, viel unve r mitt e lter a l s j ede andere Stadt, die i c h kenne. Da hatte m a n sie gerade noch für si c h allein, teilte sie nur m i t ein e m Zei t ungs j ungen und ein paar brumm e nden Mas c h i nen der Straßenrein i gung (übrig e ns: P aris gibt all j ährlich 145 Mark pro Kopf für die Re i nigung se i ner Stra ß en aus, London d a geg e n nur 42 Mark, w o mit w ohl g e klärt w äre, warum P aris e i n Schmu c ks t ü c k ist und London e i n Klosett), und urplötzlich herrscht h e ktis c hes T re i ben - Autos und Busse sausen vorbei, Caf e s und Kioske öffnen, Scharen von M e ns c h e n hetz e n aus d e n Metro-Stati o nen w ie a ufg e schreckte Vogels c h w ä r me, und überall ist B e w e gung, T aus e nde und A bertaus e nde von Bein e n eil e n umher.
Geg e n halb n e un i st ein Spa z iergang durch P aris dann a l les andere als ein Vergnüg e n. Der Verkehr ist e i nfach z u stark. Ü ber j edem Boulevard hängt ein blauer D unsts c hleier aus A b gas e n. Mir ist w ohl bekannt, daß Baron Hauss m a nn P aris zu e i ner seh e n s w erten Stadt g e m a c ht hat, aber von z üg i g e m Ve r keh r sf l uß hatte der M a nn ke i ne Ahnung. A lle i n a m A re de T rio m p he tr e ffen si c h dreiz e hn Straßen. Könn e n Sie sich das vorstel l en? Was ich sag e n w ill, ist folgendes: Da hab e n w ir nun e i ne Stadt, in der die a ggressivst e n Autofahrer der Welt zu Hause s i nd, A utof a hrer, die m a n unter anderen U mst ä nden mit Ledergurten a n ihre Betten fess e ln w ürde, denen man a us Spritzen, so groß w ie F a hrradpumpen, T horazin in j izieren w ürde, und w a s t ut man? Man gibt i hnen e in e n freien P latz, a uf d e m sie alle mite i n a nder versuch e n könn e n, in dreizehn vers c hied e ne R i chtungen glei c hzeitig zu ras e n. Das kann doch ni c ht gu t g e hen. Interess a nte r w eise w ar e n die Franzosen s c hon l a nge vor der Erfin d ung der Verbrennungsmas c h i ne als schle c hte Fahr e r bekannt. Bereits i m achtz e hnt e n Jahrhundert haben si c h brit i sche Reis e nde über die verrü c kte Fah r w e i se der Franzosen i n P aris ge ä ußert, über » die erst a un l iche G e sc h w indigkeit, mit der sich K u t s c hen und Mens c h e n durch die Straßen be w e gt e n... Es w ar nicht ung e w ö hn l ich, daß ein Kind überf a hren und ve r mutli c h g e tötet w urd e « . I c h zitiere aus d e m We r k The Grand Tour von Christopher Hibert, ein Buch,das uns vor Aug e n führt, daß die Völker Europas bereits se i t mindest e ns 300 Jahren ihren je w e il i gen
Weitere Kostenlose Bücher