Streit Ist Auch Keine Loesung
irgendeinem unerfindlichen Grund ist Markus derselben Überzeugung wie Ines. Auch er meint, im Recht zu sein. Ines lässt nicht locker, Markus auch nicht, ein Wort gibt das andere und schon haben die beiden – wir kennen das ja inzwischen – einen handfesten Beziehungsstreit. Das macht Ines’ Lage natürlich nicht einfacher. Jetzt hat sie Stress mit der Kollegin, die ihr Tag für Tag acht Stunden gegenübersitzt, und Streit mit dem Menschen, mit dem sie einen großen Teil ihrer freien Zeit verbringt. Ihre Probleme haben sich deshalb nicht etwa nur auf zwei erhöht, sie haben sich – gefühlt – auf vier verdoppelt. Beim Streiten ist eins und eins eben nicht zwei, sondern – gefühlt – sogar vier. Und das alles, obwohl Ines ja nun eindeutig im Recht war, oder?
Wenn Ines nun zu mir in die Beratung käme und mich um Rat fragte, wie sie es schaffen könne, ihren Mann davon zu überzeugen, dass sie im Recht ist und nicht er, dann würde sie an diesem Tag die dritte Niederlage einstecken. Denn leider kann ich ihr in diesem Fall nicht zustimmen. Die Situation, mit der wir es hier zu tun haben, ist nämlich keine Wer-ist-im-Recht-Situation. Es handelt sich vielmehr um eine Wer-hat-welche-Bedürfnisse-Situation. Ein ganz anderer Fall also, bei dem es keine Möglichkeit gibt, durch einen Blick ins Internet oder einen kurzen Anruf eine Lösung zu finden.
Die eigene Sicht und die des Partners
Über Wer-hat-welche-Bedürfnisse-Situationen wird in Partnerschaften oft und gerne gestritten. Aber warum eigentlich? Das Ergebnis ist – wir haben es gerade gesehen – absolut unangenehm. Aus einem Problem sind – gefühlte – vier geworden. Der Hauptgrund für diese Streite: Den allermeisten Menschen fällt es sehr schwer, zwischen Wer-hat-Recht-Konflikten und Wer-hat-welche-Bedürfnisse-Konflikten zu unterscheiden. Sie sehen sich und ihr Bedürfnis. Die Sicht des Partners aber sehen sie nicht, können sie nicht sehen, und – auch das kommt vor – wollen sie nicht sehen.
Freunde stellen sich auf Ihre Seite.
Das gilt nicht nur für die beiden Betroffenen selbst. Auch den Freunden der beiden gelingt das nur in seltenen Fällen. Was passiert denn, wenn Ines nach dem Streit mit Markus eine Freundin anruft und ihr von der Sache erzählt? Was wird diese dazu sagen? Ich habe wenig Zweifel, was dann passiert: Ihre Freundin wird sagen, dass Ines im Recht ist. Dazu sind gute Freundinnen nun einmal da. Sie stellen sich auf ihre Seite. Das fühlt sich zwar gut an, hilft aber leider auch nicht weiter. Denn was machen die Freunde von Markus unterdessen, wenn er ihnen von der Angelegenheit erzählt? Sie fassen sich an den Kopf ob so viel Unverständnis von Ines und bestätigen ihm, dass er im Recht ist. Und damit sind die beiden von einer befriedigenden Lösung noch weiter entfernt als zuvor.
Ines und Markus können so weitermachen. Sie können die Zahl ihrer – gefühlten – Probleme noch weiter nach oben treiben, indem sie weiterhin die Überzeugung vertreten, im Recht zu sein. Da bei Wer-hat-welche-Bedürfnisse-Konflikten aber keiner von beiden im Recht und auch keiner im Unrecht ist, treiben sie die Stimmung in ihrer Beziehung durch solch ein Verhalten unaufhörlich in die negative Richtung.
Überzogenes Beziehungskonto
Paare, die in einen Wer-hat-welche-Bedürfnisse-Konflikt verstrickt sind, überziehen in vielen Fällen zu allem Unglück auch noch ihr Beziehungskonto. Denn in so einer Stimmung neigen Partner zu einer ausgesprochenen „Vergesslichkeit“, was das Auffüllen des gemeinsamen Kontos angeht. Sie heben zwar ununterbrochen ab, zahlen aber einfach nicht mehr ein. Das hat – Sie wissen es – weitere schädliche Auswirkungen auf die Partnerschaft. Wenn Ines es unterlässt, hin und wieder Einzahlungen auf ihr Partnerschaftskonto vorzunehmen, und auch Markus das angesichts der miesen Stimmung überhaupt nicht einsieht – nun, Sie wissen, was dann passiert. Richtig: Die Beziehung läuft noch schlechter. Die Zahl der – gefühlten – Probleme hat sich jetzt noch einmal verdoppelt, auf nunmehr acht.
Resultat: Machtkämpfe
Nicht nur unterschiedliche Bedürfnisse können in einer Beziehung mit solcher Wucht aufeinanderprallen. Auch unterschiedliche Ansichten und Gewohnheiten von Partnern können zum gleichen Ergebnis führen – wenn sie denn mit der gleichen starren Ich-bin-im-Recht-Haltung vertreten werden. Beinahe alle Lebensfragen können sich zu einem Machtkampf aufschaukeln. Wie viel Geld soll für schlechte
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