Streit Ist Auch Keine Loesung
Zeiten zurückgelegt werden? Wohin geht der nächste Urlaub – in die Berge oder ans Meer? Welche Schule ist die richtige für die Kinder?
Bei all diesen Fragen können die Vorstellungen zweier Menschen darüber, was richtig und was falsch ist, welche Bedürfnisse also der eine und welche der andere hat, sehr weit auseinanderliegen. Und sie können dies nicht nur. In der Praxis tun sie das in der Tat bei beinahe allen Paaren.
Ich habe die Meinungsverschiedenheit von Ines und Markus jetzt absichtlich etwas zugespitzt. Viele Leserinnen und Leser schütteln da möglicherweise mit dem Kopf und entgegnen: Aber so stur kann doch kein Paar sein! Das Dumme ist nur: Viele Beziehungsstreite – und viele Trennungen – verlaufen nach genau diesem Ich-bin-im-Recht-Muster. Im Recht zu sein hilft in der Liebe nicht weiter. Im Recht zu sein, ist für eine Partnerschaft ein echter Sargnagel. Auf manchem Grabstein einer einst blühenden Liebe steht eine traurige Inschrift: Sie waren im Recht. Denn im Recht zu sein mündet in einen Machtkampf, mit allen seinen Folgen.
Was ist ein Machtkampf?
Ein Machtkampf ist ein zugespitzter Streit. Er ist ein Streit, bei dem jeder über längere Zeit darauf beharrt, im Recht zu sein. Ein Machtkampf ist nicht immer von lauten Streitereien geprägt. Auch leise Bemerkungen, die den anderen treffen, die ihn verletzen sollen, taugen als Mittel. Die Augen zum Himmel verdrehen ebenso.
|| | Meine Frau ist verrückt
Ein Machtkampf beruht auf der Verwechselung von Ich-bin-im-Recht-Situationen mit Wer-hat-welche-Bedürfnisse-Situationen (oder Wer-hat-welche-Ansichten). Ein Machtkampf blendet die Sicht des anderen radikal aus. In einem Machtkampf wird die eigene Sicht zur einzigen Möglichkeit. Deshalb hat ein Machtkampf oft noch eine weitere problematische Zutat. Sie lautet: „Meine Frau ist verrückt.” Oder andersherum ausgedrückt: „Mein Mann ist ein Zombie.” Den Partner schlechterdings für verrückt zu erklären ist eine bequeme Erklärung, die die Frage von Recht und Unrecht mit einem Schlage beantwortet. Der amerikanische Autor Mark Twain hat es einmal spöttisch so ausgedrückt: „Jeder, dessen Meinung von der unseren abweicht, ist als geistesgestört zu betrachten”.
Ganz ohne Zweifel gibt es ab und zu Beziehungen, in denen einer der Beteiligten unter massiven psychischen Problemen leidet und eine Beziehung dadurch destabilisiert. Der Partner ist Quartalssäufer. Die Partnerin leidet an Depressionen. Doch das ist die Ausnahme von der Regel. In der Regel befinden sich Partner schlicht in einem heftigen Wer-hat-welche-Bedürfnisse-Streit und finden dafür keine gute Lösung.
Ein Machtkampf kann die Beziehung zerstören
Eine glückliche Partnerschaft lebt von wohlwollenden Gedanken über den anderen, auch und gerade dann, wenn er sich anders verhält als gewünscht. Sie haben das im zweiten Kapitel gesehen. Ein Machtkampf ist das genaue Gegenteil von wohlwollenden Gedanken. Die Gedanken, die mit ihm einhergehen, sind – im besten Fall – abwertend und kritisierend. Wenn es schlimm kommt, dann sind sie sogar voller Verachtung. Beide Partner wollen ganz unbedingt gewinnen. Doch beide erreichen ihr Ziel nicht. Weil es nicht zu erreichen ist. Ein Machtkampf in der Partnerschaft kennt keine Sieger und Besiegte. Ein Machtkampf kennt nur Verlierer. Er ist das genaue Gegenteil einer Win-win-Situation, also einer Situation, in der alle gewinnen und keiner verliert. Er ist eine Situation, in der beide Seiten verlieren werden. Denn die Folgen eines Machtkampfes sind für eine Beziehung immer sehr problematisch. Es fühlt sich nicht nur schrecklich an, in einen Machtkampf verwickelt zu sein, es ist schrecklich. Eine Beziehung, die von einem Machtkampf beherrscht wird, ist unsicher. Sie bietet den Beteiligten keinen Schutz. Jederzeit kann sie zusammenbrechen. Denn die negativen Gedanken über den Partner, mit denen ein Machtkampf einhergeht, unterhöhlen unweigerlich das Fundament einer jeden Liebe.
Ein Machtkampf kennt nur Verlierer.
Das kann auch Ines und Markus so ergehen, wenn sie weiterhin dabei bleiben, dass sie im Recht sind mit ihren jeweiligen Wünschen, Vorstellungen und Bedürfnissen. Wenn Markus also darauf besteht, dass er im Recht ist mit seinem Wunsch, nach der Arbeit zunächst einmal in Ruhe gelassen zu werden. Und wenn Ines konsequent dabei bleibt, im Recht zu sein mit ihrem Wunsch, gleich wenn sie nach Hause kommt, mit Markus zu reden. Beide sind nicht im Recht und haben auch
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