Streng vertraulich Kommissar Morry
Das Geräusch kam rasch näher. Der junge Mann erhob sich. Er zog einen Kamm aus der Tasche und sich durch das Haar. „Das ist sie“, sagte er mit verhaltener Erregung.
„Wer denn, zum Teufel?“
„Na, das Mädchen, von dem ich schon die ganze Zeit gesprochen habe — Dinah McGraigh!“ Er grinste matt. „Das Singen ihres hübschen kleinen Sportwagenmotors ist jedesmal Musik in meinen Ohren... “
Hinter der Straßenbiegung erschien ein flacher, roter Sportwagen. Er bog in die Tankstelle ein und blieb an der Zapfstelle stehen, auf der in großen Lettern das Wort Super stand.
„Auftanken, Miß McGraigh?“ fragte der junge Mann. In seine Wangen war eine leichte Röte gestiegen.
„Ja, bitte — und sehen Sie doch bitte einmal nach, ob der Luftdruck stimmt. Ich habe eine längere Fahrt vor mir.“
„Selbstverständlich, Miß McGraigh, wird gleich erledigt!“ meinte der junge Mann und machte sich eifrig an die Arbeit. Er bemerkte den karierten Koffer auf dem Beifahrersitz und fragte: „Sie verreisen?“
„Nur ein paar Tage“, meinte das Mädchen und steckte sich eine Zigarette in Brand. Dann warf sie die Zigarette im weiten Bogen aus dem Wagen. „Zu dumm! Hier darf man doch gar nicht rauchen. Entschuldigen Sie, bitte... “
Dirk Lee lehnte an einer der Zapfsäulen. Er hatte Muße, das Mädchen genau zu betrachten. Obwohl sie eine große, moderne Sonnenbrille trug, war zu erkennen, daß es sich um eine auffallende junge Schönheit handelte. Der Wind spielte mit dem seidenweichen, goldblonden Haar. Die rot- schillernden Lippen waren in ihrer Art ebenso vollkommen geschwungen wie die hoch angesetzten Augenbrauen. Das Mädchen trug ein weißes Kostüm und einen grünen, lose um den Hals geknoteten Seidenschal.
„Schade, daß Sie wegfahren“, meinte der junge Mann, der plötzlich das Bedürfnis hatte, einen Witz zu machen. „Sie berauben sich um das Vergnügen, einen Besucher Ihres Herrn Vaters kennenzulernen!“
„Einen Besucher?“ fragte Dinah verblüfft.
„Ja“, meinte der junge Mannn grinsend und wies mit dem Daumen auf Lee. „Den da!“
Lee spürte, wie ihn seine Selbstsicherheit verließ, als das Mädchen den Blick auf ihn richtete.
„Soll das ein Witz sein?“ fragte Dinah leise.
„Anscheinend nicht.“ meinte der junge Mann.
Dinah kletterte plötzlich aus dem Wagen. Sie war etwas über mittelgroß und sehr schlank. Sie trat auf Lee zu und nahm die Brille ab. Ihre Augen hatten eine graugrüne Farbe; sie waren sehr groß und lagen im Schatten langer Wimpern.
„Ich hatte Sie mir ganz anders vorgestellt!“ sagte sie.
Lee schluckte. Er wußte nicht, was das Mädchen meinte und war wütend auf den Tankwart, der ihn bloßgestellt hatte.
„Wie heißen Sie?" fragte das Mädchen.
Um ein Haar hätte Lee seinen richtigen Namen genannt, dann sagte er: „Jack Brown.“
„Ich glaube, mein Vater erwartet Sie erst am Nachmittag — am späten Nachmittag“, sagte Dinah. „Habe ich recht?“
Lee räusperte sich. „Ich fürchte, hier handelt es sich um ein Mißverständnis...“
„Woher kennen Sie Papa?“ unterbrach ihn das Mädchen. „Aus Durban? Aus Johannesburg? Ich kann mich nicht erinnern, Sie schon einmal gesehen zu haben “
„Aber ich will doch gar nicht zu Ihrem Vater!“ sagte Lee.
Dinah lächelte spöttisch. „Ich weiß — darin sind Sie sich mit ihm einig! Ich soll nicht erfahren, worum es bei dem Besuch geht. Na bitte — ganz wie Sie es wünschen!“
Sie wandte sich ab und stieg wieder ein. Lees Herz klopfte hoch oben im Hals. Er spürte, daß er an der Schwelle eines Geheimnisses stand. Fremde Geheimnisse hatten ihn schon immer brennend interessiert — schon deshalb, weil sich erfahrungsgemäß aus ihrer Kenntnis leicht Geld schlagen läßt.
Eines stand fest: Gordon McGraigh schickte von Zeit zu Zeit seine Tochter weg, um einen Unbekannten empfangen zu können — einen Unbekannter, den er ganz offensichtlich seiner Tochter nicht zu präsentieren wagte.
Wahrscheinlich glaubte Dinah jetzt, den Grund zu keimen, weshalb der Vater sie bei diesen Begegnungen nicht im Hause zu haben wünschte: der Mann, den sie an der Tankstelle getroffen hatte, war schon seinem Äußeren nach kaum dazu angetan, mit ihm Ehre einzulegen.
Lee trat an den Wagenschlag. „Sie täuschen sich bestimmt, Miß McGraigh“, sagte er. Er äußerte es nur, um das Mädchen zum Widerspruch und damit zur Offenbarung weiterer Details bewegen zu können.
„Sie stecken mit ihm unter einer
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