Streng vertraulich Kommissar Morry
„Mädchen? Das ist nichts für mich! Was ich brauche, ist Geld...“
„Warum versuchen Sie es nicht mal mit anständiger Arbeit?“ fragte einer der Männer an der Theke.
„Anständige Arbeit!“ schnarrte Lee entrüstet. „Haben Sie schon mal jemand kennengelernt, der es damit weit gebracht hat? Arbeit ist gut — aber es muß eine Arbeit sein, die sich lohnt.“
„Zum Beispiel?“ fragte der Wirt.
Lee lachte. „Ich fürchte, davon verstehen Sie nichts!“
Einer der Männer löste sich von der Theke und baute sich vor Lee auf. „Ehe Art, wie Sie sprechen, gefällt mir nicht!“ sagte er drohend. „Mein Name ist Chester — ich bin der Assistent des Sheriffs!“
„So?“ fragte Lee. „Habe ich irgend etwas getan, was Ihr Mißfallen erregt?“
„Allerdings.“
„Nämlich?“
„Sie reden so, als ob Sie hier irgendein krummes Ding drehen wollen... “
„Das müssen Sie mir erst mal beweisen!“
„Ich gebe Ihnen einen guten Rat — verschwinden Sie aus West Lane, bevor es Ihnen leid tut.“
Lee leerte mit einem langen Zug das Bierglas und meinte dann: „Ich will es mir überlegen.“ Er griff in die Tasche und holte eine Banknote hervor, die er auf den Tisch legte. „Zahlen, bitte!“
Während der Wirt den Geldschein an sich nahm und zur Theke ging, um das Wechselgeld zu holen , sagte der Assistent des Sheriffs: „In unserem Ort ist kein Platz für Vagabunden! Hier wohnen nur anständige Menschen, Leute, die ihr Geld durch ehrliche Arbeit verdienen...“
„Und wie steht's mit den Herren da an der Theke? Und mit Ihnen selbst, mein Freund? Entspricht es Ihrer Auffassung von ehrlicher Arbeit, sich am hellichten Tag in der Kneipe herumzutreiben?“
„Jetzt reicht's mir aber!“ sagte der Assistent des Sheriffs wütend. „Scheren Sie sich zum Teufel!“
Der Wirt kam zurück und gab Lee das Wechselgeld. Der steckte es ein und erhob sich. „Worüber regen Sie sich auf? Ich bin ja schon dabei, dieses gastliche Haus und diesen liebenswerten Ort zu verlassen.“
Er ging hinaus und rückte vorher demonstrativ den alten, schäbigen Hut mit der grünen Feder zurecht, der ihm von Getty mit dem Wagen zur Verfügung gestellt worden war. Lee hatte den Auftrag, den Hut vor seiner Abfahrt im Geräteschuppen einer stillgelegten Baumwollmühle zu deponieren.
Als Lee durch den kleinen Ort schlenderte, wurden ihm die neugierigen und zugleich verächtlichen Blicke bewußt, mit denen man hinter ihm her blickte. Er hielt einen älteren Mann an und fragte:
„Pardon — können Sie mir sagen, wie ich zu Mr. McGraighs Haus komme?“
Der Mann streckte den Arm aus und erwiderte: „Immer weiter geradeaus bis zum Ende der Ortschaft — dann müssen Sie nach rechts abbiegen. An der Kreuzung steht eine Tankstelle — dort fragen Sie am besten noch einmal.“
„Vielen Dank.“ Lee ging weiter und dachte: Getty hat alle Ursache, mit mir zufrieden zu sein.
Plötzlich blieb er stehen. Der Einfall, der ihn dazu bewogen hatte, raubte ihm fast den Atem. Warum hatte er nicht schon früher daran gedacht? Lee atmete auf einmal ganz schwer. Wenn es ihm gelang, diese Idee zu verwirklichen, bot sich eine letzte, große Chance, erneut zu Geld zu kommen...
Aber es ging nicht! Er saß zu tief in dem Schlamassel drin, als daß es möglich gewesen wäre, zu diesem Zeitpunkt nochmals die Fronten zu wechseln. Und doch: es war ein frappierender Gedanke, zu McGraigh zu gehen und ihm zu sagen: man will Sie ermorden! McGraigh würde vermutlich aus allen Wolken fallen. Vielleicht würde er ihn, Dirk Lee, für verrückt erklären und kurzerhand auf die Straße setzen...
Lee malte sich aus, was er sagen konnte.
,Lassen Sie sich nicht von meinem Aussehen beeindrucken, Mr. McGraigh — es ist Teil einer Maskerade, für die mich ein Mann namens Getty bezahlt hat. Ich soll nur dazu dienen, die Polizei nach dem Mord auf die falsche Fährte zu lenken. Der Sheriff soll denken, daß nur ich der Mörder gewesen sein kann — ‘
Lee ging langsam weiter. Er begriff, daß er diesen Plan nicht verwirklichen konnte. Er konnte ihn schließlich nicht verkaufen — und das war das einzige, was ihn interessierte. McGraigh würde ihn zum Sheriff schleppen.
Dort würde es eine Menge peinliche Fragen geben — und zum Schluß würde er noch im Gefängnis landen, weil er der Polizei nicht schon früher Meldung gemacht, und weil er Gettys Geld akzeptiert hatte. Schade, dachte Lee — so geht es mir immer. Meine besten Ideen scheitern an irgendeiner
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