Streng vertraulich Kommissar Morry
Decke!“ meinte Dinah und biß sich auf die Lippen.
„Welchen Grund sollte ich denn wohl dafür haben?“
„Ich wünschte, ich wüßte es.“
Lee erinnerte sich an seinen Auftrag und sagte: „Ich bin mit ganz anderen Absichten nach hier gekommen.“
Dinah blickte ihn an. „Geben Sie wenigstens zu, Papa besuchen zu wollen?“
„Ja — das war meine Absicht.“
„Na, also!“
„Ich wollte ihn bitten, mir aus der Patsche zu helfen. Ihr Vater ist doch ein reicher Mann, nicht wahr?“
Der Tankwart mischte sich ein. „Fertig, Miß McGraigh. Ich setz' den Betrag auf die Rechnung.“
Das Mädchen griff in die Handtasche. Sie holte einen Dollar heraus und rückte ihn dem Tankwart in die Hand. Dann fuhr sie los, ohne ein weiteres Wort gesagt zu haben. Der Tankwart starrte ihr hinterher.
„Jedesmal ist es dasselbe“, murmelte er mit flacher Stimme. „Jedesmal gibt sie mir einen Dollar Trinkgeld. Wenn sie wüßte, wie sehr sie mich damit verletzt.“
„Sie sind wirklich ein kompletter Narr! Was haben Sie gegen einen Dollar Trinkgeld einzuwenden? Erwarten Sie, daß das Mädchen Ihnen gleich einen Smaragd aus der Sammlung ihres Vaters schenkt?“
Der Tankwart schob das Geld in die Tasche. „Das versehen Sie nicht“, erwiderte er mürrisch. „Trinkgelder sind mir stets willkommen. Warum nicht? Ich habe keine Skrupel, Trinkgeld anzunehmen, aber nicht von Dinah! Ich finde, wenn sie mir etwas in die Hand drückt, dann ist das beleidigend und erniedrigend.“
Lee lachte leise und spöttisch. „Sie können mir leid tun! Das Mädchen tut das ganz bewußt, mein Junge. Wahrscheinlich hat sie längst gemerkt, wie verliebt Sie in sie sind. Mit dem Trinkgeld rückte sie auf ihre Weise die Perspektive zurecht — damit weist sie Sie in die Schranken!“
Der junge Mann verkniff die Augen. „Sie sind gar nicht so dumm, wie Sie aussehen. Sind Sie wirklich ein Vagabund? Ich habe einiges von der Unterhaltung aufgeschnappt, die Sie mit Dinah führten.“
„So?“
„Stimmt es, daß der alte McGraigh Sie erwartet?“
„Könnte schon sein.“
„Warum haben Sie alle diese dummen Fragen an mich gerichtet, wenn Sie ihn kennen?“
„Vielleicht wollte ich erfahren, wie man im Ort über ihn denkt.“
„Wollen Sie mich anschwärzen?“ fragte der junge Mann.
„Verdient hätten Sie es! Sie haben mich der jungen Dame gegenüber ganz schön bloßgestellt.“
„Ach was! Ich wollte doch nur einen Witz machen.“
„Damit sollte man vorsichtig sein, wenn es sich um Freunde handelt“, meinte Lee. „Also — wie komme ich zu McGraighs Haus?“
„Ich denke, Sie kennen ihn?“
„Muß ich deshalb schon hier gewesen sein und wissen, wo er wohnt?“
Der Tankwart gab Lee eine genaue Wegbeschreibung. Lee bedankte sich und ging nachdenklich davon. Es gab keinen Zweifel: Getty hatte in irgendeiner Weise Wind davon bekommen, daß der alte McGraigh heute allein in seiner privaten kleinen Festung sein würde. War Getty der geheimnisvolle Fremde, um dessentwillen McGraigh seine Tochter gelegentlich auf Reisen schickte? Lee blieb stehen.
Ein neuer Gedanke hatte Besitz von ihm ergriffen. Konnte es sein, daß es sich bei McGraigh um irgendeine Größe der Unterwelt handelte? Empfing McGraigh in dieser weltabgeschiedenen Gegend die Führer irgendwelcher Banden? War er womöglich die ,Bank‘ bestimmter Gangsterführer? Lagerten in seinem Hans die Schätze aus ungezählten Raubzügen und Überfallen? Lee wurde es heiß.
Wie finde ich die Wahrheit heraus? fragte er sich. Er spürte, daß sich hier eine Gelegenheit bot, seinen ramponierten finanziellen Status aufzubessern. Aber um das zu erreichen, mußte er erst noch mehr Material sammeln — bis jetzt war sein Wissen noch zu bruchstückhaft. Nach einer halben Stunde hatte er das Haus der McGraighs erreicht. Es stand wie ein Schloß auf einem felsigen Hügel. An drei Seiten fielen die Felsen etwa zwanzig Meter tief schroff ab; die vierte Seite mit der in Serpentinen angelegten Auffahrtsstraße hatte eine Neigung von ca. zehn Grad.
Das Haus war flach, aber ziemlich groß; die meisten Fensterläden waren heruntergelassen. Das Gebäude machte einen unfreundlichen, beinahe drohenden Eindruck. Tatsächlich hatte es nach Lage und Aussehen etwas von einer Festung an sich. Auf der abgeflachten Seite des Felsens lag die Einfahrt zum Haus; sie war in eine hohe Mauer eingelassen und diente offensichtlich nicht zuletzt der Aufgabe, neugierige Besucher fernzuhalten. Soweit Lee es zu
Weitere Kostenlose Bücher