Streng vertraulich Kommissar Morry
doch einen Menschen nicht ohne Grund um. Ich war davon überzeugt, daß der Täter Papa auch beraubt haben muß.“
„Stimmt. Genau das ist geschehen. Was befand sich übrigens im Tresor?“
„Die Steine natürlich... ja, und das Geld.“
„Wieviel?“
„Genau kann ich es nicht sagen. Ich habe mich niemals ernsthaft darum gekümmert. Aber es war gewiß eine ganze Menge.“
„Was verstehen Sie unter eine ganze Menge'?“
„Ich weiß selbst nicht recht... eine Million oder so“, erwiderte Dinah stockend.
„Der Tresor wurde ausgeraubt!“
Dinah schien es gar nicht zu hören. Zumindestens sah es so aus, als ob sie die Worte nicht beeindrucken könnten. Sie gab sich einen Ruck und fragte: „Wie kommen Sie dazu, mich zu verdächtigen? Das ist so gemein, so ungeheuerlich, so... ich finde einfach keine Worte dafür!“
„Ich verdächtige Sie ja gar nicht...“ wich Buxton aus.
„O doch!“ erwiderte Dinah erregt. „Sonst hätten Sie sich nicht persönlich nach hier bemüht, sondern einen Ihrer Assistenten geschickt.“
„Unsinn“, wehrte Buxton ab. „Aber ich will Ihnen gern erklären, wie der Verdacht zustande gekommen ist. Sie führten, wie viele Leute meinen, im Hause Ihres Vater es ein ziemlich freudloses Dasein. Keine Partys, keine Gesellschaften, keine Freunde... es war ein Leben im goldenen Käfig.“
„Lieber Himmel!“ staunte Dinah. „Gedanken machen sich die Leute...“
„Wundert Sie das? Der ganze Ort wußte, wie reich Ihr Vater ist. Sein merkwürdiges, festungsartiges Haus und die Art seines Lebens waren der Nährboden für solche Gedanken.“
„Das haben Sie wirklich hübsch formuliert!“ meinte Dinah bitter. „Ich weiß nicht, was ich denken soll. Es ist schlimm genug, damit fertig zu werden, daß ich plötzlich keinen Vater mehr habe — aber es ist nicht weniger schlimm, zu entdecken, daß es Leute gibt, die mich für fähig halten, den Mord begangen zu haben.“
„Es gibt immer Menschen, die gleich das Schlimmste denken“, sagte der Sheriff erklärend und wie entschuldigend. „Wenn diese Gedanken zu einer Anzeige führen, ist die Justiz verpflichtet, die gemachten Angaben zu überprüfen.“
„Bitte — überprüfen Sie!“
„Sie erlauben mir, daß ich mich in der Hütte umsehe?“
„Ich habe nichts dagegen.“
„Nun, das hat Zeit bis später. Sie kennen Ihren Vater. Wie oft empfing er den Besuch des Unbekannten?“
„Das kann ich nicht genau sagen — drei- oder viermal, glaube ich.“
„Nicht häufiger?“
„Nein.“
„Wann setzten diese geheimnisvollen Besuche ein?“
„Das ist schwer zu bestimmen. Vor einem Jahr etwa, würde ich sagen.“
„Kann es sich auch um eine Frau gehandelt haben?“
„Durchaus.“
„Ist es möglich, daß es sich um alte Bindungen aus seiner Zeit in Südafrika handelt?“
„Ja, auch das ist denkbar.“
„Wie kommt es, daß Sie niemals mit ihm darüber gesprochen haben?“
„O, ich habe es versucht. Es führte leider zu keinem Ergebnis. Als ich merkte, daß mein Vater nicht darüber zu sprechen wünschte, gab ich es auf.“
„Aber Sie müssen sich doch irgendwelche Gedanken darüber gemacht haben!“
„Habe ich auch“, bestätigte Dinah. „Offen gestanden — ich hatte Papa lange Zeit in Verdacht, ab und zu eine Geliebte zu empfangen. Ich glaubte, es handle sich um — nun um ein Mädchen, das sich für seine Gunstbezeigungen bezahlen ließ. Ich fand, daß das die einzige plausible Erklärung dafür sein konnte, daß er mich zu bestimmten Zeiten nicht im Hause haben wollte.“
„Später verwarfen Sie diesen Gedanken wieder?“ „Ja. Falls Papa den Wunsch verspürt haben sollte, sich mit einem solchen Mädchen einzulassen, hätte er ja nach New York oder Chicago fahren können.“
„Das hat er doch auch getan?“
„Er ist einige Male im Jahr nach New York gereist, um dort ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. Außerdem unterhielt er sich bei dieser Gelegenheit mit seinem Anwalt, Dr. Patrick.“
Buxton holte ein Notizbuch hervor, um sich den Namen des Anwaltes aufzuschreiben. „Wann war er das letzte Mal in New York?“ fragte er dabei.
„Vor zwei Monaten.“
„Wie lange war er unterwegs?“
„Etwa eine Woche.“
Buxton steckte das Buch in die Tasche zurück. „Miß McGraigh, ich brauche Ihnen nicht zu erklären, daß Ihr Vater als weitabgewandter Sonderling galt. Können Sie mir sagen, wie es dazu gekommen ist?“
„Wozu gekommen — zu der Meinung der Leute, oder zu Papas Wunsch nach
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