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Streng vertraulich Kommissar Morry

Streng vertraulich Kommissar Morry

Titel: Streng vertraulich Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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denkst nie sehr weit. Das ist dein Fehler. Darum bist du im Zuchthaus gelandet und deshalb wirst du wieder dorthin kommen.“
    „Halt' den Mund!“
    „Geh' endlich — das ist alles, worum ich dich bitte. Es äst zu deinem eigenen Wohl.“
    Lee erhob sich. „Wo hast du eigentlich die ganze Zeit gesteckt?“
    „Verschone mich mit deiner albernen Neugier, bitte! Ich hin dir keine Rechenschaft schuldig.“ Patricia durchquerte das Zimmer und trat an eine Anrichte, auf der ein Rauchservice stand. Sie steckte sich eine Zigarette in Brand und trat dann an das geöffnete Fenster. Sie wandte ihm den Rücken zu und sagte: „Ich zähle bis zehn. Wenn ich damit fertig bin und mich umdrehe, wirst du nicht mehr hier sein.“
    „Ist das 'alles, was du mir zu sagen hast?“ fragte Lee leise.
    „Eins —“
    „Patricia!“
    „Zwei —“
    „Ich liebe dich doch!“
    „So war es immer mit dir. Du entdecktest diese Liebe zu den unmöglichsten Zeiten. Warum spreche ich überhaupt mit dir darüber? Drei, vier, fünf —“
    „Ich will doch nur, daß du mir ein Versteck verschaffst, wo ich für ein oder zwei Wochen bleiben kann. Du mußt mir ein paar Anzüge verschaffen — ich kann meinen Koffer doch nicht holen! Das würde meine sofortige Verhaftung bedeuten. Ich habe Geld, Patricia. Ich kann dich gut bezahlen.“
    „Sechs, sieben, acht—“
    „Patricia, du kannst doch nicht so herzlos sein.“
    „Neun —“
    „Zehn!“ stieß Lee hervor. „Wie du siehst...“
    Weiter kam er nicht. Bis leiser, unwirklicher Knall ertönte — so, als habe jemand auf dem Balkon eine Champagnerflasche geöffnet. Patricia zuckte zusammen. Sie wandte sich um, ganz langsam; ihre Augen waren rund und von Entsetzen erfüllt. Sie preßte beide Hände gegen die Brust, als müsse sie mit einem plötzlichen Herzanfall fertig werden.
    „Was ist los mit dir?“ fragte Lee verblüfft und gleichzeitig von einer heftigen, unerklärlichen Furcht befallen. „Bist du krank — fehlt dir etwas?“'
    Patricia machte einen Schritt nach vorn, einen unsicheren, auf einknickenden Knien ausgeführten Schritt — dann brach sie mit einem dumpfen Stöhnen zusammen.
    „Patricia!“ Er war mit einem Sprung bei ihr. Fassungslos starrte er auf das Blut an Patricias Händen. Dann begriff er. Er hob das Kinn und blickte durch das Fenster.
    Die Straße war nicht sehr breit; auf der gegenüberliegenden Seite befand sich die rote Ziegelmauer eines alten Lagerhauses. Einige der Fenster waren zerbrochen. Offensichtlich wartete das Gebäude auf seinen Abbruch. Wahrscheinlich hatte es der Schütze leicht gehabt, in das verlassene Gebäude einzudringen. Er hatte gewartet, bis Patricia sich am Fenster zeigte, und dann geschossen. Lee begriff, in welcher Gefahr er sich befand. Er ließ sich auf die Knie neben Patricia nieder, obwohl ihm dämmerte, daß er ihr nicht helfen konnte. Was sie brauchte, war ein Arzt.
    Er erhob sich und ging zum Telefon. Neben dem Apparat lag ein Block mit den wichtigsten Nummern. Darunter war auch der Name eines Arztes. Lee rief ihn an und sagte: „Bitte, kommen Sie sofort in die Isbam Street, zu Miß...“
    „Tut mir leid“, unterbrach ihn der Arzt. „Ich habe das Wartezimmer voller Patienten. Ich kann jetzt nicht kommen. Ist es denn so wichtig?“
    „Es geht um Tod oder Leben“, sagte Lee. „Man hat auf Miß Britton geschossen.“ Er hing auf, ohne eine Antwort abzuwarten. Dann zog er ein Taschentuch hervor und wischte den Telefonhörer damit ab. Sicher ist sicher, dachte er stumpf und noch immer wie betäubt; wenn Patricia sterben sollte, wird man sich hier nach Fingerabdrücken umsehen. Er erschrak. Würde auch dieser Mordanschlag auf sein Konto gebucht werden ? Ich muß hier weg, dachte er; Patricia erwartet Besuch — und außerdem ist es möglich, daß irgend jemand den Schuß gehört und die Polizei alarmiert hat. Letzteres war allerdings wenig wahrscheinlich; offenbar hatte der Schütze die Tatwaffe mit einem Schalldämpfer ausgerüstet. Es war kein sehr lauter Knall gewesen; nur ein Fachmann konnte wissen, wie er zustande gekommen war.
    Nun, die Kriminaltechniker würden zumindest feststellen, daß der Schuß aus einer Entfernung von mehr als fünfzehn Metern abgegeben worden war. Er kniete sich nochmals neben Patricia nieder und flüsterte ihren Namen. Das Gesicht des Mädchens war leichenblaß. Sie hielt die Augen geschlossen. Durch ihre gegen die Brust gepreßten Finger sickerte Blut. Sie schien ihn nicht zu hören, aber sie

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