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Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Muskeln taten langsam weh, meine Hand wurde steif, und der Schweiß quoll aus allen Poren meines Körpers.
Der Footballspieler sah mich an, und ich merkte, daß er sich überlegte, noch einmal den Helden zu spielen.
Ich wartete. Dann ließ ich die Waffe sinken und forderte ihn auf: »Los, komm!«
Angie mischte sich ein: »Nicht hier. Los jetzt!« Sie packte mich am Ellenbogen, und wir gingen rückwärts aus der Bar in die Nacht.

9_____
    Setz dich bitte, Simone.« Alles, was Jenna sagte, klang wie eine müde Bitte.
Wir waren jetzt schon seit zehn Minuten in der Wohnung, hatten uns aber die ganze Zeit mit der widerspenstigen Simone herumärgern müssen. Bisher hatte sie zweimal versucht, an mir vorbeizukommen, jetzt lief sie zum Telefon.
»In mein Haus kommt kein Mann, der mir sagt, was ich tun soll«, sagte sie zu Jenna und sah dann Angie an. »Und mich erschießt hier keiner, solange die Nachbarn oben wach sind.« Als sie das Telefon erreicht hatte, glaubte sie sogar, was sie sagte.
Ich fragte: »Simone, wen willst du anrufen? Die Polizei? Super.«
Jenna flehte: »Laß das Telefon stehen, Simone. Bitte.«
Angie wirkte gelangweilt und gereizt. Geduld gehört nicht zu ihren Stärken. Sie ging zum Telefon und riß die Schnur aus der Wand.
Ich machte die Augen zu und dann wieder auf. »Jenna, ich bin ein Privatdetektiv, und bevor einer von uns irgend etwas macht, möchte ich mit Ihnen sprechen.«
Simone blickte das Telefon an, dann Angie und mich, schließlich ihre Schwester. Dann sagte sie: »Deine Sache, geht mich nichts an«, und setzte sich auf die Couch.
Angie nahm neben ihr Platz. »Sie haben es sehr schön hier.«
Das stimmte. Die Wohnung war zwar klein, draußen gab es nichts zu sehen, auch stand kein Klavier vor dem Fenster, doch Simone hatte offensichtlich Geschmack. Der Boden war abgeschliffen worden, das helle Holz auf Hochglanz poliert. Auf der hellbeigefarbenen Couch, auf der Simone und Angie saßen, lag eine riesige Wolldecke, in die sich Angie am liebsten eingewickelt hätte. Jenna saß in einem Schalenstuhl aus Mahagoni rechts neben der Couch, ich stützte mich gegenüber von ihr auf einen anderen. Einen guten Meter vom Fenster entfernt begann ein zwanzig Zentimeter hohes Podest, so daß der Raum bis zu den beiden Fenstern zur Straße hin eine kleine Nische bildete; auf den Fensterbänken lagen Kissen, daneben standen ein kleiner Zeitschriftenständer aus Holz und ein hölzerner Telefontisch, darüber eine rankende Pflanze. Über die eine Hälfte der Wand hinter Jenna verlief ein Bücherschrank, in dem ich Gedichtbände von Nikki Giovanni, Maya Angelou, Alice Walker und Amiri Barak sah sowie Romane von Baldwin und Wright, aber auch von Gabriel Garcia Marquez, Toni Morrison, Pete Dexter, Walker Percy und Charles Johnson.
Ich sah Simone an: »Auf welcher Schule waren Sie?« Sie antwortete etwas überrascht: »Tuskegee.« »Gute Schule.« Ein Freund von mir spielte dort ein Jahr lang Basketball, bis er merkte, daß er nicht gut genug war. Ich bemerkte: »Nette Büchersammlung.«
»Du wunderst dich doch nur, daß Nigger lesen können.« Ich seufzte. »Ja. Schon gut, Simone.« Dann fragte ich Jenna: »Warum haben Sie gekündigt?« Jenna antwortete: »Jeden Tag kündigen Leute.« »Das stimmt«, pflichtete ich ihr bei, »aber warum haben Sie gekündigt?«
Sie erwiderte: »Ich will nicht mehr für die arbeiten. Schlicht und einfach.«
»Und als Sie die Akten gegriffen haben, wie schlicht und einfach war das?«
Jenna guckte verwirrt. Simone auch. Gut möglich, daß sie wirklich verwirrt waren, aber andererseits: Wenn Jenna die Akten tatsächlich gestohlen hatte, war es auch nicht gerade die beste Idee, angesichts meiner Worte schuldbewußt zu gucken. Simone fragte: »Was erzählen Sie da, verdammt noch mal?«
Jenna sah mich fest an, während sie mit den Händen den Stoff ihres Rockes bearbeitete. Sie dachte über etwas nach, und einen Augenblick lang überschwemmte die in ihren Augen aufgetauchte Intelligenz die ganze Müdigkeit, so wie eine Welle über ein Ruderboot hereinbricht. Dann waren ihre Augen wieder ausdruckslos. Sie sagte: »Simone, ich möchte mit diesem Mann ein paar Minuten unter vier Augen sprechen.«
Das gefiel Simone nicht, aber ungefähr eine Minute später ging sie mit Angie in die Küche. Simone sprach mit lauter und erregter Stimme, doch Angie konnte mit lauten und erregten Menschen umgehen. Man führt keine Ehe voller willkürlicher Wutausbrüche, unbegründeter Eifersucht und plötzlicher

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