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Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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da?«
Ich erwiderte: »Rufe meinen Auftraggeber an. Sie können mit ihm reden. Mein Auftrag ist ausgeführt.«
»Warten Sie.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sterling Mulkern, bitte.«
Während mir eine elektronische Stimme die Zeit ansagte, riß Jenna die Telefonschnur wieder aus der Dose. Ich drehte mich um und sah sie an.
Sie begann: »Sie müssen mir vertrauen.«
»Nein, muß ich nicht. Ich kann Sie hier stehenlassen, zur nächsten Telefonzelle gehen und von da aus anrufen.«
»Aber was ist, wenn…«
»Wenn was?« rief ich. »Lady, ich habe Besseres zu tun, als mich hier mit Ihnen rumzuärgern. Haben Sie ein As im Ärmel? Dann spielen Sie es aus.«
Sie fragte: »Was für Unterlagen sollen das sein?«
Warum sollte ich lügen? Ich erwiderte: »Sie beziehen sich auf eine anstehende Gesetzesvorlage.«
»Ach ja? Also, Mr. Kenzie, da hat Sie jemand angelogen. Was ich habe, hat nichts mit Gesetzen oder Politik oder dem State House zu tun.«
In dieser Stadt hat alles mit Politik zu tun, aber ich sagte nichts. »Auf was beziehen sie sich - ach, Scheiße. Was haben Sie dann, Ms. Angeline?«
»Ich habe ein paar Sachen in einem Sicherheitsschließfach in Boston. Wenn Sie wissen wollen, was das für Sachen sind, kommen Sie morgen mit mir mit, wenn die Bank aufhat, dann werden wir ja sehen, was Sie für einer sind.«
»Warum sollte ich?« fragte ich. »Warum sollte ich nicht sofort meinen Auftraggeber anrufen?«
Sie entgegnete: »Ich glaube, ich kenne die Menschen ziemlich gut, Mr. Kenzie. Ist keine große Sache für eine arme schwarze Frau, aber mehr Talente habe ich nicht. Und Sie, na ja, vielleicht macht es Ihnen nichts aus, hin und wieder den Spürhund für andere zu spielen, aber Sie sind auf jeden Fall kein Laufbursche.«

10_____
    Hast du vollkommen den Verstand verloren?« zischte Angie grob. Wir saßen in der Zimmernische und blickten auf die Straße. Jenna und Simone waren in der Küche und führten wahrscheinlich eine ähnliche Diskussion.
    Ich fragte: »Paßt es dir nicht?«
»Nein«, gab sie zurück, »es paßt mir nicht.«
»Zwölf Stunden mehr oder weniger machen doch keinen
    großen Unterschied.«
»Verdammt! Patrick, das ist doch hirnrissig! Wir haben den
Auftrag, sie zu finden und Mulkern anzurufen. Gut. Wir haben
sie gefunden. Jetzt sollten wir den Anruf erledigen und nach
Hause fahren.«
»Finde ich nicht.«
»Findest du nicht?« wisperte sie böse. »Wie schön. Nur daß
du in dieser Gleichung nicht der einzige Faktor bist. Wir sind
gleichberechtigt.«
»Ich weiß, daß es…«
»Ach ja? Ich habe auch eine Lizenz. Vergessen? Du hast
das Büro vielleicht gegründet, aber ich habe auch meine Zeit
investiert. Ich wurde auch angeschossen und
zusammengeschlagen und mußte mich achtundvierzig
Stunden lang polizeilich überwachen lassen. Ich bin es
gewesen, die die Entscheidung des Staatsanwalts
ausschwitzen mußte, ob Bobby Royce angeklagt werden sollte
oder nicht. Ich habe hier auch was zu sagen. Fünfzig
Prozent.«
»Und was sagst du?«
»Ich sage, daß es Bockmist ist. Ich sage, wir erledigen
unseren Auftrag und fahren nach Hause.«
»Und ich sage…« Ich riß mich zusammen. »Und ich bitte dich, daß du mir hier vertraust und mir bis morgen früh Zeit gibst. Mann, Ange, bis dahin müssen wir ihr eh auf der Pelle hocken. Mulkern steigt jetzt bestimmt nicht aus dem Bett und
fährt mitten in der Nacht nach Wickham.«
Sie dachte darüber nach. Ihre Haut bekam in der schwach
beleuchteten Nische einen kaffeebraunen Farbton, sie
schürzte die vollen Lippen. Dann sagte sie: »Vielleicht.
Vielleicht.«
»Wo ist dann das Problem?« fragte ich und wollte
aufstehen.
Sie griff nach meinem Handgelenk. »Nicht so schnell, mein
Junge.«
»Was?«
»Was du sagst, ist logisch, Scooter; nur mit deinen Motiven
habe ich ein Problem.«
»Was für Motive?«
»Erklär’s mir mal.«
Ich setzte mich seufzend wieder hin. Warf ihr meinen besten
»Warum gerade ich?«-Blick zu. »Ich verstehe nicht, warum es
uns schaden soll, mehr zu erfahren, solange wir die
Möglichkeit haben. Das ist mein einziges Motiv.«
Sie schüttelte langsam den Kopf und sah mich fest und
etwas traurig an. Dann fuhr sie sich mit der Hand durchs Haar,
wobei ihr die losen Locken wieder in die Stirn fielen. »Sie ist
keine Katze, die jemand im Regen vergessen hat, Patrick. Sie
ist eine erwachsene Frau, die ein Verbrechen begangen hat.« »Da bin ich mir nicht so sicher«, entgegnete ich.
»Ist so oder so egal. Wir sind keine Sozialarbeiter.« »Worauf willst du

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