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Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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»Und was?«
»Das wird ja ein super Gespräch!«
Ich sagte: »Angie, bitte, laß mir ein bißchen Zeit. Das kommt für mich, ehrlich gesagt, wie aus heiterem Himmel.« Ich hielt den Atem an, als sie mich mit verhangenem Blick ansah, ein Blick, der mir sagte, daß ich herausgefordert wurde und möglichst schnell herausfinden sollte, worin die Herausforderung bestand. Ich begann: »Ich weiß, was dir nicht paßt - wegen Mulkern, Phil und mir. Momentan gibt es eine Menge Scheiß Typen…«
»Jungen«, unterbrach sie mich.
»In Ordnung«, lenkte ich ein. »Eine Menge Scheißjungen in deinem Leben. Aber ich frage dich, Ange, was stimmt nicht?«
Sie zuckte mit den Achseln und aschte auf den Marmorboden. »Dafür werde ich wahrscheinlich in der Hölle schmoren.«
Ich wartete.
»Nichts stimmt mehr, Patrick. Nichts. Als ich daran dachte, daß du gestern fast gestorben wärst, da mußte ich auch an viele andere Sachen denken. Ich meine, Gott im Himmel, ist das mein Leben? Phil? Dorchester?« - Sie machte eine ausladende Handbewegung - »Das hier? Ich gehe zur Arbeit, halte dich auf Abstand, du hast deinen Spaß, ich gehe nach Hause, werde ein- oder zweimal im Monat zusammengeschlagen und schlafe manchmal noch in derselben Nacht mit dem Schwein und… ist das alles? Das soll ich sein?«
»Niemand sagt, daß es so sein muß.«
»Ja, toll, Patrick. Ich werde Gehirnchirurg.«
»Ich kann…«
»Nein.« Sie ließ die Zigarette auf den Marmorboden fallen und trat sie aus. »Für dich ist das ein Spiel. Du denkst nur: Wie sie wohl im Bett ist? Und wenn du es dann weißt, bist du weg.« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist mein Leben. Kein Spiel.«
Ich nickte.
Sie lächelte kläglich, und bei dem bißchen Licht, das durch die grünen Glasfenster rechts von mir schien, konnte ich sehen, daß ihre Augen feucht waren. Sie fragte: »Weißt du noch, wie ich früher war?«
Ich nickte erneut. Sie sprach von früher. Früher, als es noch keine Beschränkungen gab. Früher, als das hier noch ein leicht schäbiger, melancholischer, romantischer Ort war, nicht die grausame Wirklichkeit.
Sie fügte hinzu: »Wer hätte das gedacht, hm? Ganz schön komisch, oder?«
»Nein«, entgegnete ich.

17_____
    Bubba kam nicht mehr im Büro vorbei. Typisch.
Er besuchte mich am nächsten Morgen in meiner Wohnung, als ich gerade heraussuchte, was ich zu Jennas Beerdigung tragen wollte. Er setzte sich auf mein Bett, während ich mir die Krawatte band, und bemerkte: »Mit der Krawatte siehst du aus wie ‘n Schwuler.«
Ich antwortete: »Wußtest du das noch nicht?« und blies ihm einen Kuß zu.
Bubba nahm einen Fuß vom Bett. »Mach darüber keine beschissenen Witze, Kenzie.«
Ich überlegte, ob ich es noch weitertreiben sollte, wo man ihn so gut damit ärgern konnte. Doch Bubba zu ärgern ist eine gute Möglichkeit, ganz schnell herauszufinden, ob man fliegen kann, deshalb fummelte ich weiter an meiner Krawatte herum.
Bubba ist ein absoluter Anachronismus - er haßt alles und jeden außer Angie und mich, doch anders als die meisten Menschen ähnlicher Natur verschwendet er keine Zeit damit, darüber nachzudenken. Er schreibt weder Leserbriefe noch anonyme Briefe an den Präsidenten, auch bildet er keine Selbsthilfegruppe oder organisiert Demonstrationen; er betrachtet seinen Haß als völlig natürliche Seite seines Lebens, wie das Atmen oder eingeschossene Scheiben. Bubba besitzt das Selbstgefühl eines Vergasers und nimmt sogar noch weniger Notiz von seiner Umwelt - solange man sich ihm nicht in den Weg stellt. Er ist ein Meter neunzig groß, 170 Kilo reines Adrenalin und radikale Wut. Und er würde jeden erschießen, der mich nur einmal schief anguckt.
Ich wollte seine Loyalität lieber nicht auf die Probe stellen, und Bubba fand das in Ordnung. Was Angie betrifft, tja, hat Bubba einmal versprochen, Phil alle Gliedmaßen einzeln auszureißen und sie dann wieder dranzumachen. Wir mußten es ihm ausreden. Wir versprachen ihm, schworen es sogar bei Gott, daß wir uns irgendwann drum kümmern und ihn dann dazurufen würden. Da gab er nach. Er schimpfte uns Weicheier und Volltrottel und bedachte uns mit allen anderen erdenklichen Schimpfwörtern, aber wenigstens konnte man uns jetzt nicht mehr eine Mordverschwörung anhängen.
Wie Bubba die Welt sieht, ist ziemlich einfach - wenn dich was nervt, halt es auf. Mit welchen Mitteln auch immer.
Er griff in seinen Trenchcoat und warf zwei Pistolen aufs Bett. »Sorry, daß ich erst heute komme.«
»Kein Problem«,

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