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Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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keine schmutzigen Sachen. Wir behalten das Original, um dem Schmutz auszuweichen, bis wir sicher sind, um was es sich handelt.«
»Können wir dir helfen, Junge?«
»Sicher. Erzählen Sie mir was von Paulson und Socia.«
»Eine dumme Indiskretion von Brians Seite.«
»Wie dumm?« fragte Angie.
»Für den Durchschnittsbürger nicht besonders dumm«, erklärte Mulkern. »Aber für jemandem im Blickpunkt der Öffentlichkeit äußerst dumm.« Er nickte Jim zu.
Jim faltete die Hände auf dem Tisch. »Senator Paulson gönnte sich vor sechs Jahren eine Nacht… unangebrachten Vergnügens mit einer von Mr. Socias Prostituierten. Unter den gegebenen Umständen kann ich es nicht näher erläutern, aber im großen und ganzen war es nicht viel mehr als ein fröhlicher Abend mit Wein, Weib und Gesang.«
»Wobei sich Mrs. Paulson nicht unter den Damen befand«, fügte Angie hinzu.
Mulkern schüttelte den Kopf. »Das ist irrelevant. Sie ist die Frau eines Politikers; sie weiß, was von ihr in so einem Fall erwartet wird. Nein, es gäbe ein Problem, wenn Unterlagen über diesen Zwischenfall an die Öffentlichkeit gelangten. Brian ist momentan eine starke, diskrete Stimme für die Gesetzesvorlage gegen den Straßenterrorismus. Jede Verbindung mit Leuten vom Schlage des Herrn Socia könnte ihm sehr schaden.«
Ich wollte fragen, wie jemand eine »starke, diskrete Stimme« sein konnte, doch hatte ich Angst, es könnte meinen Mangel an politischem Sachverstand offenbaren. Ich fragte: »Wie heißt Socia mit Vornamen?«
Jim antwortete: »Marion«, und Mulkern warf ihm einen Blick zu.
»Marion«, wiederholte ich. »Und wie kam Jenna ins Spiel? Wie kam sie in Besitz dieser Bilder?«
Jim sah Mulkern an, bevor er antwortete. Politiker mit telepathischer Begabung! Er gab Auskunft: »So wie wir es uns vorstellen, hat Socia Brian die Fotos geschickt und wollte ihn damit irgendwie erpressen. An dem Abend hat sich Brian ganz schön betrunken, könnt ihr euch ja vorstellen. Er schlief auf dem Stuhl ein, die Fotos lagen auf dem Tisch. Dann kam Jenna zum Putzen, und wir nehmen an…«
Angie mischte sich ein: »Einen Moment, bitte. Sie wollen mir erzählen, daß Jenna von den Fotos von Paulson mit einer Nutte moralisch so abgestoßen war, daß sie sie mitnahm? Obwohl sie wußte, daß ihr Leben keinen Penny mehr wert war?« Sie klang, als erschien ihr die Version noch unglaubwürdiger als mir.
Jim zuckte mit den Achseln.
Mulkern sagte: »Bei solchen Leuten weiß man nie…«
Ich fragte: »Warum sollte Socia sie dann umgebracht haben? Sieht mir nicht so aus, als hätte er viel zu verlieren gehabt, wenn die Fotos von Paulson mit einer Nutte in die Öffentlichkeit gelangten.«
Noch bevor er den Mund aufmachte, kannte ich Mulkerns Antwort, und ich ärgerte mich, daß ich überhaupt gefragt hatte.
»Bei solchen Leuten weiß man nie…«, wiederholte er.

16_____
    Der Rest des Tages war Gewäsch.
Wir kehrten zurück ins Büro, ich flirtete mit Angie, sie sagte, ich solle mich zusammenreißen, das Telefon klingelte nicht, und niemand schaute zufällig mal vorbei in unserem Glockenturm. Wir bestellten eine Pizza, tranken ein paar Bier, und ich dachte noch immer daran, wie sie ausgesehen hatte, als sie hinten im Taxi an ihrem Rock herumzupfte. Sie blickte mich ein paarmal an, erriet meine Gedanken und nannte mich einen Perverso. Einen Augenblick kam in mir sogar ein ganz und gar unschuldiger Gedanke über meine Ferngespräche auf, aber wenn ich an all die anderen Phantasien denke, war ihre Beschimpfung wohl gerechtfertigt.
Angie hatte es immer schon mit diesem Fenster hinter ihrem Schreibtisch. Die Hälfte der Zeit starrt sie nach draußen, beißt sich auf der Unterlippe herum oder klopft mit dem Bleistift gegen die Zähne, allein in ihrer eigenen Welt. Aber heute schien es eher so zu sein, als liefe da irgendwo ein Film, den nur sie sehen konnte. Viele ihrer Antworten auf meine Kommentare begannen mit einem »Hm?«, und ich hatte das Gefühl, sie befinde sich auf einem anderen Planeten. Ich dachte mir, es müsse etwas mit dem Arschloch zu tun haben, deshalb ließ ich sie in Ruhe.
Meine Pistole lag noch immer auf dem Polizeirevier, und ich hatte nicht die Absicht, durch die Gegend zu stiefeln und mich allein auf meinen Schwanz und meinen Optimismus zu verlassen, während mich die Raven Saints auf der Abschußliste hatten. Ich brauchte eine vollkommen unberührte Knarre, weil die gesetzlichen Bestimmungen für nicht registrierte Handfeuerwaffen in Massachusetts

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