Streng vertraulich
bedroht wurde, wie ein gewalttätiger Trinker, der sich unbedingt schlagen wollte. Er sagte »Patrick Kenzie« und beugte sich über den Tisch zu mir. Der Bourbon in seinem Atem hätte eine Tankstelle in die Luft gehen lassen können. »Patrick Kenzie«, wiederholte er, »jetzt hör mir mal gut zu. Ich lasse nicht zu, daß der Sohn von einem meiner Lakaien in diesem Ton mit mir redet. Dein Vater, mein guter Junge, war ein Hund, der auf meinen Befehl lossprang. Und dir bleibt in dieser Stadt nichts anderes übrig, als in seine Fußstapfen zu treten. Denn«, er beugte sich noch weiter vor, griff plötzlich nach meinem Handgelenk und hielt es fest, »wenn du mich nicht achtest, Jungchen, hast du in Zukunft weniger Arbeit als die Anonymen Alkoholiker am St. Patrick’s Day. Ein Wort von mir, und du bist ruiniert. Und was deine Freundin hier angeht, die wird sich über ganz andere Sachen Sorgen machen müssen als ein paar blaue Flecke von ihrem nichtsnutzigen Mann.«
Angie sah aus, als würde sie ihn jeden Moment enthaupten, ich legte ihr die freie Hand aufs Knie.
Dann zog ich sie zurück, griff in meine Brusttasche und holte die Kopie heraus, die ich von dem Foto gemacht hatte. Ich hielt sie in sicherer Entfernung von Mulkern und Vurnan in die Luft und lächelte kalt, ich glaubte es zumindest, wobei ich Mulkerns Blick keine Sekunde auswich. Ich lehnte mich ein bißchen nach hinten, um seinem toxischen Mundgeruch zu entkommen und sagte: »Senator, mein Vater war einer Ihrer Lakaien. Einverstanden. Aber zum Teufel mit ihm! Ich habe das Schwein gehaßt, also verschwenden Sie Ihren hochprozentigen Atem nicht mit Appellen an meine Sentimentalität. Angie ist meine Familie. Nicht er. Nicht Sie.« Ich bewegte ruckartig meine Hand, so daß er sie nicht länger festhalten konnte. Bevor er seine zurückziehen konnte, hielt ich sie fest und zog sie an mich. »Und, Senator, wenn Sie noch einmal damit drohen, mir das Geschäft zu ruinieren«, ich warf ihm das Foto vor die Nase, »dann mache ich Ihnen Ihr verdammtes Leben kaputt.«
Wenn ihm das Foto bekannt vorkam, so zeigte er es nicht. Er hielt meinem Blick stand, seine Augen wurden nur kleiner, Nadelspitzen geballten Hasses.
Ich sah Angie an und ließ dann Mulkerns Hand los. »Ich hab genug«, sagte ich und stand auf. Dann klopfte ich Jim auf die Schulter: »War mir wie immer ein Vergnügen, Jim.«
Angie verabschiedete sich: »Tschüs, Jim.«
Wir verließen den Tisch.
Wenn wir bis zur Tür kamen, müßte ich ab Herbst von Sozialhilfe leben. Wenn wir bis zur Tür kamen, bedeutete das Foto nichts anderes, als daß wir uns alles nur eingebildet hatten und es nichts zu vertuschen gab. Dann würde ich nach Montana, Kansas, Iowa oder so ziehen müssen, irgendwohin, wo es so öde ist, daß niemand überhaupt auf die Idee kommt, dort seine politischen Beziehungen spielen zu lassen. Wenn wir bis zur Tür kamen, hatten wir in dieser Stadt nichts mehr zu suchen.
»Pat, Junge.«
Wir waren noch ungefähr zwei Meter von der Tür entfernt; mein Glaube an die Menschheit war wiederhergestellt.
Angie drückte mir die Hand, und wir drehten uns um, als ob wir eigentlich noch was Besseres vorhatten.
Jim bat: »Kommt bitte zurück und setzt euch.«
Wir gingen auf den Tisch zu.
Mulkern hielt uns die Hand hin. »Ich bin so früh am Tag immer leicht reizbar. Die Leute verstehen meine Art von Humor nicht richtig.«
Ich ergriff die Hand. »Kann schon mal vorkommen.«
Auch Angie streckte er die Hand hin. »Ms. Gennaro, bitte nehmen Sie die Entschuldigung eines störrischen alten Mannes an.«
»Schon vergessen, Senator.«
»Bitte nennen Sie mich Sterling.« Er lächelte warm und tätschelte ihr die Hand. Er strahlte Ehrlichkeit aus.
Wenn ich mich letzte Nacht nicht übergeben hätte, wären wir jetzt alle in großer Gefahr gewesen.
Jim tippte auf die Kopie und sah mich an: »Wo hast du das her?«
»Von Jenna Angeline.«
»Das ist eine Kopie«, erklärte er.
»Ja, Jim. Stimmt.«
»Das Original?« fragte Mulkern.
»Habe ich.«
»Pat«, lächelte Mulkern, die Stimme kontrollierend, »wir haben dich beauftragt, damit du uns Dokumente zurückholst, nicht die Kopien davon.«
»Ich behalte das Original hiervon, bis ich die restlichen Bilder finde.«
»Warum?« wollte Jim wissen.
Ich wies auf die Titelseite der Zeitung: »Die Sache ist ein bißchen schmutzig geworden. Das gefällt mir nicht. Ange, magst du schmutzige Sachen?«
Angie erwiderte: »Nein, mag ich nicht.«
Ich blickte Vurnan und Mulkern an: »Wir mögen
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