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Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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»Roy, ich rede mit dir.«
Roy stöhnte und versuchte, den Kopf zu heben, wobei sich seine Hände mit Blut füllten.
Devin sagte: »Ein Niggerfreund von mir hat mich gebeten, dir das zu geben. Er meinte, du würdest schon verstehen.«
Er ging zurück zur Bar und setzte sich wieder hin. Dann kippte er ein weiteres Bier hinunter und zündete sich noch eine Zigarette an. »Also, was meint ihr?« fragte er. »Macht sich Roy jetzt Gedanken?«

19_____
    Wir verließen die Kneipe ungefähr eine Stunde später. Roys Freunde hatten ihn bereits weggebracht, wahrscheinlich zur Notaufnahme des City Hospital. Sie warfen Angie und mir böse Blicke zu, als sie Roy an uns vorbeizerrten, doch Devins ausdruckslosen Augen wichen sie aus, als sei er der Antichrist persönlich.
    Für Tommys verlorenes Geschäft warf Devin einen Zwanziger mehr auf die Theke. Tommy klagte: »Du bist ein echter Wichser, Sarge. Kommst du jetzt jeden Tag rein und gibst mir Geld, wenn sie nicht mehr kommen?«
    Devin brummelte vor sich hin: »Yeah, yeah, yeah«, und stolperte betrunken auf den Ausgang zu.
Angie und ich holten ihn auf der Straße wieder ein. Ich schlug vor: »Komm, ich fahr’ dich nach Hause, Dev.«
Devin torkelte auf den Parkplatz von Dunkin’ Donuts zu. Er sagte: »Danke schön, Kenzie, aber ich muß in Übung bleiben.«
»Wofür?« fragte ich.
»Falls ich noch mal trinke und dann fahre. Dann will ich nämlich wissen, wie ich es heute geschafft habe.« Er drehte sich um und ging ein paar Schritte rückwärts. Ich erwartete, daß er umfallen würde.
Er erreichte seinen verrosteten Camaro und zog die Schlüssel aus der Tasche.
Ich versuchte es wieder: »Devin!« mahnte ich, ging auf ihn zu und griff nach seinen Schlüsseln.
Da packte er mich mit der Hand am Hemd, drückte mir seine Handknöchel gegen den Adamsapfel und trug mich ein paar Meter zurück, sein Blick war verschwommen. Er murmelte: »Kenzie, Kenzie«, und warf mich gegen ein Auto. Dann tätschelte er mir mit der anderen Hand die Wange. Devin hat riesige Hände. Wie ein Steak mit Fingern dran. »Kenzie«, wiederholte er mit einem harten Gesichtsausdruck. Langsam wiegte er den Kopf von einer Seite zur anderen. »Ich fahre jetzt. Okay?« Er ließ meinen Kragen los und strich über die Falten, die er in meinem Hemd hinterlassen hatte. Er schenkte mir ein seelenloses Lächeln. »Bist schon in Ordnung«, brummte er. Dann wandte er sich wieder seinem Auto zu und nickte Angie zu. »Paß auf dich auf, Traumfrau!« Er öffnete die Tür seines Wagens und stieg ein. Er mußte den Schlüssel zweimal umdrehen, bis der Motor ansprang, dann schlug der Auspuff auf der Zufahrtsrampe auf, und der Wagen bog auf die Straße. Er reihte sich in den Verkehr ein, schnitt einen Volvo und bog um die Ecke.
Ich hob die Augenbrauen und pfiff leise. Angie zuckte mit den Achseln.
Wir fuhren Richtung Innenstadt und holten den Vobeast vom Parkplatz; für das Parkgeld hätte ich ein Kind bis zur Uni durchbringen können. Angie fuhr meinen alten Wagen; sie folgte mir bis zur Garage, wo ich den Porsche wieder seinem trauten Heim übergab und zurück zu ihr in den Vobeast stieg. Sie rutschte zur Seite, und ich tuckerte mit dem rollenden Schrotthaufen in die Cambridge Street rein.
Wir ließen die Innenstadt hinter uns, passierten die Gegend, wo die Cambridge Street in die Tremont übergeht, fuhren dort vorbei, wo Jenna wie eine weggeworfene Puppe in der Morgensonne gesessen hatte, vorbei an den Überresten des alten Rotlichtbezirks, der, dem Städtebau und dem Videoboom ausgesetzt, langsam, aber sicher verfiel. Warum sollte man sich in einem dreckigen Kino einen runterholen, wenn man sich auch gemütlich zu Hause in der dreckigen Wohnung einen runterholen konnte?
Wir fuhren durch South Boston - Southie für alle, die keine Touristen oder Nachrichtensprecher sind -, vorbei an Straßenzügen heruntergekommener zweistöckiger Häuser, die wie eine Reihe von Toilettenhäuschen bei einem Rockkonzert aufgestellt waren. Southie verblüfft mich. Dieses Viertel ist größtenteils arm, überbevölkert und erbarmungslos vernachlässigt. Die Sozialbauten in der D Street sind genauso schlimm wie in der Bronx: dreckig, schlecht beleuchtet und voller wütender, blutrünstiger Punker mit Bürstenschnitt und Baseballschlägern, die die Straßen unsicher machen. Vor ein paar Jahren kam dort zufällig am St. Patrick’s Day ein sehr irisch aussehender Junge mit einem Kleeblatt auf dem T-Shirt vorbei. Er traf eine Gruppe irischer Kinder,

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