Streng vertraulich
Haus. Direkt dahinter war Devins Camaro geparkt. Er stand mit Oscar vor der Haustür und sprach mit einem anderen Bullen, noch ein halbes Kind. Überall sehe ich Bullen, die noch wie halbe Kinder aussahen, dachte ich, als ich die Stufen zur Haustür hochstieg.
Die beiden standen am Geländer neben einem zusammengesunkenen Häufchen Elend, dem der junge Bulle Riechsalz gab. Es war Phil, und mein erster Gedanke war: O Gott, sie hat ihn umgebracht.
Devin sah mir entgegen und hob die Augenbrauen, er grinste von einem Ohr zum anderen. »Wir haben auf den Anruf reagiert, weil wir alles von ihrem oder von deinem Telefon zu uns umleiten ließen.« Er blickte auf Phil hinunter, auf die Prellungen, mit denen sein Gesicht übersät war. Dann wandte er sich wieder an mich: »Oh happy day, hm?«
Sie trug ein weißes Hemd und ausgeblichene kobaltblaue Shorts. Auf der Unterlippe hatte sie eine rote Blase, die Wimperntusche lief ihr die Wangen hinunter. Das Haar hing ihr in den Augen, als sie mit forschem Schritt barfuß über die Türschwelle ging. Dann erblickte sie mich und kam auf mich zugerannt. Ich hielt sie fest, ihre Zähne gruben sich in meine Schulter. Sie weinte leise.
Ich fragte sie: »Was hast du gemacht?« und versuchte, die freudige Überraschung zu unterdrücken, was mir aber wohl nicht gelang.
Sie schüttelte den Kopf und hielt mich fest.
Devin lehnte sich gegen Oscar; die beiden schienen mindestens so glücklich wie an jenem Tag, als sie gleichzeitig aufhörten, Alimente zu zahlen. Devin fragte: »Willste wissen, was sie getan hat?«
»Er soll betteln«, schlug Oscar vor.
Devin griff kichernd in seine Jackentasche. Dann hielt er mir eine Betäubungspistole vors Gesicht. »Das hat sie getan.«
»Zweimal«, ergänzte Oscar.
»Zweimal!« wiederholte Devin freudig. »Er kann von Glück sagen, daß er keinen scheiß Herzkasper gekriegt hat.«
»Und dann«, fuhr Oscar fort, »hat sie ihn so richtig verdroschen.«
»Ist durchgedreht!« fügte Devin hinzu. »Durchgedreht! Hat ihm gegen den Kopf getreten, in die Rippen, hat ihm die Seele aus dem Leib geprügelt. Ich mein’, guck ihn dir doch an!«
Ich hatte Devin noch nie so aufgeregt erlebt.
Ich schaute mir Phil an. Er kam nun langsam zu sich, aber wenn er die Schmerzen spürte, wollte er bestimmt wieder einschlafen. Seine Augen waren fast völlig zugeschwollen. Seine Lippen waren schwarz. Mindestens fünfundsiebzig Prozent seines Gesichts waren mit Blutergüssen bedeckt. Wenn ich nach dem, was Curtis Moore mit mir angestellt hatte, wie das Opfer eines Autounfalls ausgesehen hatte, so sah Phil wie das Opfer eines Flugzeugabsturzes aus.
Das erste, was er sagte, als er zu sich kam, war: »Ihr buchtet sie doch ein, oder?«
Devin antwortete: »Natürlich, Sir. Sicher.«
Angie löste sich von mir und blickte ihn an.
Oscar erkundigte sich: »Wollen Sie sie anzeigen, Sir?«
Mit Hilfe des Geländers rappelte sich Phil hoch. Er hielt sich daran fest, als könnte es jeden Moment weglaufen. Dann wollte er etwas sagen, doch beugte er sich statt dessen übers Geländer und kotzte in den Vorgarten.
»Nett«, bemerkte Devin.
Oscar ging zu Phil rüber und legte ihm eine Hand auf den Rücken, während dieser weiter würgte. Oscar sprach langsam mit leiser Stimme zu ihm, als ginge hier nichts Anormales vor sich, als sei er daran gewöhnt, sich mit Menschen zu unterhalten, die in ihre Vorgärten kotzten. »Sehen Sie, Sir, ich frage nur, ob Sie sie anzeigen wollen, weil manche in so einer Situation darauf verzichten.«
Phil spuckte mehrmals nach unten und wischte sich dann mit dem Hemd den Mund ab. Immer ein Gentleman. Er fragte: »Was soll das heißen, ›in so einer Situation‹?«
»Tja«, erwiderte Oscar, »in so einer Situation eben.«
Devin mischte sich ein: »So eine Situation, wenn so ein harter Kerl wie Sie von einer Frau verdroschen wird, die in klatschnassem Zustand nicht mehr als sechzig Kilo wiegen kann. So eine Situation, die zu einem beliebten Gesprächsthema in den Kneipen hier werden kann. Sie wissen schon, so eine Situation, in der ein Typ wie Sie plötzlich wie ein richtiger Waschlappen aussieht.«
Ich hustete in die Hand.
Oscar lenkte ein. »So schlimm wird’s schon nicht, Sir. Sie gehen einfach vor Gericht und erzählen dem Richter, daß Ihre Frau Ihnen hin und wieder gerne mal ‘ne Tracht Prügel verabreicht, damit Sie auch spuren. So ähnlich. Also, der Richter guckt bestimmt nicht nach, ob Sie ein Kleid oder so drunter tragen.« Er klopfte ihm nochmals auf den
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