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Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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zitternder Hand eine Zigarette an.
»Verrückter vierter Juli, hm?« fing sie an.
»Verrückter vierter Juli«, stimmte ich zu.
»Als ich nach Hause kam, hatte ich nicht gerade die beste
Laune.«
»Ich weiß.«
»Ich meine, ich hatte gerade einen umgelegt, verdammt
noch mal.« Ihre Hand zitterte so stark, daß die Asche von der
Zigarette auf die Couch fiel. Sie bürstete sie in den
Aschenbecher. »Also, ich kam rein, und er saß da und machte
mich an, weil das Auto noch immer vor der South Station
geparkt war, und dann fragte er mich, nein, er sagte mir, ich
würde mit dir pennen. Und ich dachte, jetzt bin ich gerade
reingekommen, bin heilfroh, daß ich noch am Leben bin, mein
Gesicht ist voller Blut, und ihm fällt nichts Originelleres ein, als
zu sagen: ›Du fickst mit Pat Kenzie?‹ O Gott.« Sie fuhr sich mit
der Hand über die Stirn, kämmte das Haar nach hinten und
hielt es fest. »Also hab’ ich zu ihm gesagt, ›Fang nicht wieder
an, Phillip‹ oder so was Ähnliches und wollte an ihm
vorbeigehen, und da fängt er an: ›Wenn ich mit dir fertig bin,
Süße, dann kannst du froh sein, wenn du noch alleine ins Bett
kommst.‹« Sie zog an der Zigarette. »Nett, was? Dann hat er
mich am Arm gepackt, aber ich kam mit der anderen Hand an
meine Tasche ran, und dann habe ich mit der
Betäubungspistole auf ihn geschossen. Er ist auf den Boden
geflogen und noch mal halb aufgestanden, da habe ich ihn
getreten. Er verlor das Gleichgewicht und ist rückwärts aus der
Tür auf die Eingangstreppe gestolpert. Dann hab’ ich ihn noch
mal mit der Pistole geschlagen. Und dann gucke ich so auf ihn
runter, und alles war weg. Wirklich alles - jedes Gefühl, das ich
je für ihn gehabt habe, war wie weggeblasen, und ich konnte
nur noch dieses Stück Scheiße sehen, das mich zwölf Jahre
lang fertiggemacht hat, und dann bin ich… leicht ausgerastet.« Die Sache mit den Gefühlen bezweifelte ich. Sie würden
wiederkommen. Das taten sie immer, und zwar dann, wenn
man am wenigsten darauf vorbereitet war. Ich glaubte es, daß
sie ihn nie wieder lieben würde, aber die Emotionen würden
nie ganz verschwinden, die Gefühle von Leidenschaft, Zorn,
Angst und Trauer, die sie in ihrer Ehe empfunden hatte,
würden noch lange Zeit nachhallen. Man konnte zwar die Tür zum Schlafzimmer hinter sich zumachen, doch trug man das Bett immer mit sich herum. Aber das sagte ich ihr nicht; sie
würde es schon bald selbst merken.
Ich gab zurück: »Nach dem, was ich gesehen habe, bist du
ganz schön ausgerastet.«
Sie lächelte leicht und ließ die Haare wieder vor die Augen
fallen. »Yeah. Ich schätze, das stimmt. Hat aber lange
gedauert.«
»Kein Kommentar«, erwiderte ich.
»Pat?« Sie ist der einzige Mensch, der mich so nennen
kann, ohne daß es mir durch und durch geht. Wenn sie es tut,
klingt es gut, hört es sich irgendwie kuschelig an.
»Ja?«
»Als ich da auf ihn runtersah, hinterher, da dachte ich immer
an uns beide, wie wir in der Gasse waren und das Auto um
den Block herum auf uns zu fuhr. Ich hatte damals richtigen
Schiß, verstehst du, aber nicht halb soviel Schiß, wie ich
gehabt hätte, wenn du nicht bei mir gewesen wärst. Wir
schaffen irgendwie alles, wenn wir zusammen sind. Wenn du
bei mir bist, dann stelle ich nicht immer alles in Frage.
Verstehst du?«
»Ich verstehe dich ganz genau«, antwortete ich.
Sie lächelte. Die Locken bedeckten ihre Augen, einen
Augenblick hielt sie den Kopf gesenkt. Dann schickte sie sich
an, etwas zu sagen.
In dem Moment klingelte das Telefon. Ich hätte es
erschießen können.
Ich hob ab. »Hallo.«
»Kenzie, hier ist Socia.«
»Glückwunsch«, begrüßte ich ihn.
»Kenzie, du mußt dich mit mir treffen.«
»Nee. Muß ich nicht.«
»Mann, Kenzie, ich bin ein toter Mann, wenn du mir nicht
hilfst.«
»Denk mal drüber nach, was du gerade gesagt hast,
Marion.«
Angie blickte auf, und ich nickte ihr zu. Das Weiche wich aus
ihren Gesichtszügen, wie sich die Brandung vom Ufer
zurückzieht.
»Gut, Kenzie, ich weiß, was du denkst, du sitzt da sicher
herum und denkst, ›Socia ist erledigt.‹ Aber ich bin nicht
erledigt. Noch nicht. Und wenn ich muß, dann komme ich bei
dir vorbei und sorge dafür, daß ich dich mit ins Grab nehme.
Was du hast, das brauche ich zum Überleben, und du mußt es
mir geben.«
Ich dachte darüber nach. »Versuch doch, mich zu erledigen,
Socia.«
»Ich bin nur eine halbe Meile von dir entfernt.«
Ich wurde vorsichtig, sagte jedoch: »Dann komm rüber. Wir
können noch ein Bier

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