Striptease: Roman (German Edition)
sie die Stadt verließ, hatte Lorelei vergessen, das Klebeband vom Maul der Schlange zu entfernen.
»Was tun Sie da?« wollte Ling wissen.
»Unser alter Freund ist halb verhungert«, antwortete Shad und legte das Reptil auf den Fußboden unter den baumelnden und hilflosen Ling. Während sich das hell- und dunkelbraune Geschlinge langsam entwirrte, zitterte die Oberlippe des Bruders vor Angst. Die Boa, die normalerweise auf Bäumen lebte, suchte nach irgendeiner Klettermöglichkeit. In Ermangelung eines Baums entschied sie sich für Lings nacktes Bein. Je heftiger der Bruder um sich trat, desto enger zog die Schlange ihre Windungen.
»Weißt du was?« sagte Shad. »Dein Dödel sieht genauso aus wie ein Goldhamster.«
Nach kurzem Nachdenken stieß Ling eine Reihe hoher, schriller Schreie aus und kreischte: »Sie beißt mir gleich ins Männlein!«
Shad hielt das für äußerst belustigend. »Dein was? Nennt ihr das so in Japan?«
»Nehmen Sie sie weg, verdammt noch mal!«
Die Schlange setzte ihren bedrohlichen Aufstieg fort. »Du warst sehr unhöflich«, sagte Shad, »als du neulich meiner Freundin die Möpse betatscht hast.«
»E-e-s tut mir so leid. Ich konnte nicht anders.« Ling stimmte nun ein mitleiderregendes Gejammer an. »Einige Mädchen haben nichts dagegen.«
»Oh, da habe ich aber erhebliche Zweifel.« Shad fragte sich, wie lange der Kleiderhaken wohl das Gewicht des Bruders tragen würde.
Ling bemühte sich, reglos dazuhängen. Wenn er sich wehrte, so befürchtete er, würde das die Schlange nur noch mehr reizen. »Bitte«, flüsterte er verzweifelt, »nehmen Sie sie weg. Ich tue alles, was Sie wollen.«
Shad gähnte, nahm seine Mütze vom Kopf und klopfte den Staub ab. Die Zunge der Boa zuckte vor und zurück. Sie hatte einen Schweißtropfen auf Lings einschrumpfendem Geschlechtsorgan gewittert.
»Oho«, sagte Shad. Das arme Ding war wirklich fast verhungert.
Ling wurde an der Tür schlaff. Er gab einen unfreiwilligen Wimmerlaut von sich. »Sie frißt mich auf«, prophezeite er. Die verhangenen Augen der Boa folgten jedem Zittern und Baumeln von Lings glücklosem Glied.
»Wenn du dich benimmst wie ein Tier«, sagte Shad, »dann wirst du auch so behandelt. Denk immer daran.«
»Ich sagte doch, daß es mir leid tut.«
Shad grinste freudlos. »Leid ist genau das richtige Wort.« Der Kopf der Schlange erhob sich in einem gleitenden Bogen, und der cremefarbene Hals nahm durch Anspannung der Muskulatur die Form eines S an.
»Mach dich fertig«, warnte Shad.
»O mein Gott!«
»Sei nicht so ein Jammerlappen. Sie ist nicht mal giftig.«
»Aber mein Männlein!«
Der Stoß der Boa war zu schnell für das menschliche Auge. Ling spürte den nadelspitzen Einstich von Zähnen, ehe sein Geist das Bild des offenen, zustoßenden Schlangenmauls registrierte. Mitten im Schrei wurde er ohnmächtig.
Als er wieder zu sich kam, fand er sich mit dem Gesicht auf dem muffigen Hirtenteppich wieder. Von Shad oder der weitsichtigen Boa constrictor war nichts zu sehen. Als er sich auf den Rücken drehte, löste diese Anstrengung eine Schmerzwelle zwischen seinen Beinen aus. Er ließ eine Hand zu der mißhandelten Zone hinunterwandern. Der Bruder atmete dankbar auf: Er war zwar angestochen, aber sonst noch intakt.
In erschöpfter Erleichterung schloß Ling die Augen. »Ein kranker Mann«, flüsterte er. »Ein sehr kranker Mann.«
Ein leises Geräusch in der Zimmerdecke fesselte seine Aufmerksamkeit. Er schlug gerade noch rechtzeitig die Augen auf, um mit anzusehen, wie eine fette braune Ratte aus dem Schacht der Klimaanlage heraussprang und mit einem verwirrten Quieken mitten auf seinem erstaunten Gesicht landete.
Einige der Flesh-Farm-Gäste waren derart betrunken, daß die Ungezieferinvasion sie nicht weiter störte. Die Künstlerinnen und Serviererinnen reagierten jedoch intelligenter: sie flüchteten. Auf der Stelle brachen alle Kontakttänze ab. Der größere Ling bewaffnete seine beiden Rausschmeißer mit Aluminium-Softballschlägern und führte einen wilden, aber wirkungslosen Gegenangriff an. Die Nagetiere erwiesen sich als schnellfüßig und schwer faßbar. Als habe die Vorsehung ihre Hand im Spiel, sprang eine Ratte von oben auf den Tisch des Gesundheitsinspektors und verdarb seinen Whisky Sour.
Shad, der das Geschehen von einem Barhocker aus verfolgte, fand, daß die Sache ziemlich gut lief. Als Sabotage war die Aktion nicht gerade besonders clever, aber Mr. Orly konnte auf die Schnelle keine Wunder
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