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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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zurück, sah sie aber unverwandt aus seinen schönen grauen Augen an. Er setzte ein Lächeln auf.
    Margo ließ ihn stehen, ging hinunter zum Fluss und zwängte sich mit zitternden Beinen am Zaun vorbei. Sie war erschöpft vom Frieren und Auftauen, erschöpft davon, sich ihr Leben lang behaupten zu müssen. Sie kehrte zu ihrem Boot zurück, verbrachte den Abend damit, ihre Gewehre im Schein der Öllampe zu reinigen, und in ihrem Bauch kehrte Ruhe ein. Sie rieb den Kolben der Marlin und das hineingeschnitzte Eichhörnchen mit Leinöl ein und polierte die Chromteile, bis sie blitzten. Danach aß sie eine Büchse Corned Beef, die sie ganz hinten im Küchenschrank entdeckt hatte. Smoke hatte sie dort zurückgelassen. Am nächsten Tag wollte sie ein Eichhörnchen schießen und in ihrem Topf auf dem Ofen kochen. Oder ein Kaninchen, und mit dem Kaninchenfell wollte sie anfangen, eine neue Decke zu nähen. Viele Felle würde man nicht brauchen, um ein kleines Kind zuzudecken.

23. KAPITEL
    Nach Smokes Tod dauerten die Schnee- und Eisstürme an, und die Sonne ließ sich drei Wochen lang nicht blicken. An dem Morgen, an dem die Wolken sich endlich verzogen, kochte Margo auf dem Holzofen einen großen Karpfen. Nachmittags war sie an Deck der Glutton gerade damit beschäftigt, ihn zu entgräten und zu zerlegen, als sie eine hagere Gestalt den Weg von der alten Scheue herunterkommen sah. Am Hut erkannte Margo, dass es Fishbone war. Sie schnitt den Fisch in Streifen, die sie räuchern, trocknen und als Vorrat anlegen wollte. Doch das Fleisch zerbröselte unter ihren Händen, und als Fishbone das Flussufer erreichte, begann sie sich zu fragen, was sie da eigentlich machte. Sie hatte die Carhartt-Jacke ihres Vaters an, damit der Parka ihrer Mutter keine unangenehmen Gerüche annahm, denn den trug sie immer, wenn sie in die Stadt ging, um in ihr Postfach zu schauen und Kartoffeln, Zwiebeln und büchsenweise Corned Beef zu kaufen, auf das sie in letzter Zeit regelrechten Heißhunger entwickelt hatte. Margo wischte die Hände an einem Tuch ab, das mit einem Stück Draht am Tisch befestigt war, griff nach den sechs Bisamrattenfellen, die sie mit Ballengarn zusammengeschnürt hatte, ging über die Laufplanke und hielt die trockenen, gesäuberten Felle, die allesamt intakte Augenhöhlen aufwiesen, in die Höhe. Fishbone zog einen gefalteten Müllsack aus der Jackentasche, ließ die Felle hineingleiten und stellte den Sack neben seine Füße. Margo glaubte spüren zu können, wie der Schnee um sie beide herum schmolz, während sie dort standen. Fishbone steckte einen Zigarillo in seine Plastikspitze und zündete ihn an.
    »Deine Büchse hat mich neugierig gemacht, darum habe ich ein bisschen nachgelesen«, sagte er. »Es ist eine Marlin 39 A , eine Geschenkausgabe zum neunzigjährigen Jubiläum des Gewehrs. 1960 wurden fünfhundert Stück mit dem Eichhörnchen und den Chromteilen angefertigt. Du bist wahrscheinlich die Einzige, die damit schießt. Alle anderen bewahren sie in einem Gewehrkoffer auf.«
    Margo zupfte ihre Jacke zurecht und zog sie über den Bauch. Fishbone paffte seinen Zigarillo. In der Nähe der Feuerstelle landeten ein paar Schneevögel. Die Nachbarin hatte Margo eine Papiertüte Vogelfutter mit den Worten geschenkt, sie solle mal ausprobieren, welche Wintervögel sie am Wasser anlocken könne.
    »Smoky hat übrigens an dem Morgen bei mir angerufen«, berichtete Fishbone. »Er hat meine arme Frau geweckt und ihr mit seiner pfeifenden Stimme einen Schrecken eingejagt. Wahrscheinlich hat er angerufen, um sich von mir zu verabschieden.«
    »Er wollte nicht allein sterben.« Margo schob die Hände in die Jackentaschen.
    »Als du weg warst, habe ich die Polizei gerufen. Sie haben den Zettel in der Küche gefunden. Die Botschaft war eindeutig. Sie wollten wissen, ob es vielleicht Selbstmord war, und ich habe ihnen gesagt, dass Smoke ständig davon gesprochen hat. Es war sein Lieblingsthema.«
    Fishbone trug wie immer seine eng anliegende Lederjacke und einen dünnen Wollpullover, und obwohl er dreimal so alt wie Margo war, zitterte er nicht so sehr vor Kälte wie sie. Sie hatte vormittags ihre Unterwasserfallen an andere Stellen verlegt und sich davon noch nicht wieder erholt. Richtig warm würde ihr erst abends wieder werden, wenn sie in der Kajüte das Feuer schürte. Manchmal konnte sie es nicht fassen, wie gemütlich sie es sich in ihrem kleinen Zuhause auf dem Wasser machen konnte, ob sie nun neben dem bullernden Ofen am

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