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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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weitermachen konnte. Als sie zum Fluss blickte, nahm sie nur verschwommene grauweiße Flecken wahr. Der Fluss war sogar zu kalt, um zu stinken, und laut Radiowetterbericht vom Vortag konnte es sein, dass er in der Nacht wieder zufror, sobald das Unwetter sich gelegt hatte. Die Marlin hing noch an ihrer Schulter, die Remington hatte sie irgendwo im Schnee verloren. Sie tastete danach, fand sie aber nicht. Margo wollte sich ausruhen, nur eine Minute.
    Sie konnte sich nicht erinnern, jemals so erschöpft gewesen zu sein. Sie hatte geglaubt, sie hätte den Verlust ihres Vaters überwunden, aber das hatte sie nicht, und auch keinen der anderen Verluste. Sie legte die Wange auf den Schnee, sodass er zusammengedrückt wurde und zu schmelzen begann. Schnee sammelte sich auf ihrer anderen Wange. Sie wollte ein Weilchen hier liegen bleiben und verschnaufen, bis sie begriffen hätte, was eigentlich passiert war. Margo war ihren Verpflichtungen nachgekommen, und sie war frei, freier als je zuvor. Schon nach wenigen Minuten spürte sie die Kälte kaum noch. Falls sie es nach Hause zu ihrem Boot schaffte, wollte sie zum Auftauen ein Feuer machen, falls nicht, wollte sie einfach hier liegen bleiben und sich ausruhen.
    Ein Stoß weckte sie, als hätte ihr jemand von hinten einen Tritt versetzt, aber als sie die Augen öffnete und sich umblickte, stellte sie fest, dass sie allein war. Der Stoß war so schmerzhaft gewesen wie ein Stromschlag.
    Kaum ließ der Schmerz nach, schloss Margo die Augen und legte die Wange wieder in den Schnee, doch gleich darauf erhielt sie noch einen Schlag. Diesmal war er so stark, dass sie die Augen aufriss. Als sie sich hinkniete, stellte sie fest, dass sie sich dicht an einem Zaunpfosten befand, näher am Zaun und am Fluss, als sie gedacht hatte. Sie raffte sich auf. Offenbar war sie mit der Hand an den Elektrozaun gekommen und hatte sich einen Stromschlag eingefangen, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass der Stoß aus ihrem eigenen Körper gekommen war. Sie ging hinunter zum Fluss und zwängte sich am Zaun vorbei, ohne ins Wasser zu fallen. Langsam stapfte sie durch den Schnee, der in der aufgehenden Sonne in reinstem Rosa leuchtete, zu ihrem Boot. Sie trug den Beutel über der einen, die Büchse über der anderen Schulter und hatte noch immer den gefrorenen Parka an.
    In der Kajüte legte sie die Büchse auf den Tisch. Die ersten beiden Streichhölzer brachen beim Anreißen an der Schachtel ab, also zündete sie ein drittes an und hielt es an die zusammengeknüllte Zeitung, die sie tags zuvor unter die zu einem Tipi aufgeschichteten Kienspäne gelegt hatte. Zwei trockene kleine Holzscheite lagen auf dem Ofen bereit. Margo zog sich aus und wickelte sich in die kratzige Armeedecke, die zwar vergilbt, aber sehr warm war.
    Ob Nightmare immer noch bellte? Sie beneidete den Hund um seine schlichte Art zu trauern. Sie selbst könnte um Smoke trauern, indem sie die Leinen losmachte und den Fluss hinunterfuhr, aber sie wusste, dass sie es mit dem schwachen, unzuverlässigen Motor allein nicht wieder flussaufwärts schaffen würde.
    Schon bald kletterte die Temperatur in der Kajüte von fünf Grad unter null auf gut zehn Grad plus, wenn man dem Thermometer an der Rückseite der Tür glauben konnte. Margo zog sich eine trockene Hose, ein Hemd und Strümpfe an und legte ein größeres Holzscheit ins Feuer. Dabei horchte sie weiter auf Sirenen, aber da waren keine. Da war nur ihre Erinnerung an den Ärger und die Trauer in Fishbones Gesicht und an ihre wachsende Erleichterung darüber, dass es vollbracht war, dass sie ihre Schuldigkeit gegenüber Smoke getan hatte und er nicht länger leiden musste. Der Himmel war jetzt ganz hell, der Wind hatte sich gelegt.
    In den letzten paar Monaten, seit ihr nicht mehr schlecht war, hatte das Baby in ihrem Bauch jede ihrer Bewegungen mitgemacht. Es hatte sich wie ein Fisch in ihr treiben lassen und war in ihrem Innern herumgeschwommen wie in einem Fluss, aber als das Feuer den Wohnraum des Bootes allmählich erwärmte, schlug es um sich wie ein gereizter Katzenwels in einem Eimer. Kaum war die Temperatur auf angenehme sechzehn Grad gestiegen, zuckte, zappelte und strampelte es, ja, wand es sich wie ein Fisch an der Angel. Das Baby ist wütend, sagte sich Margo, wütend auf sie, weil sie es fast umgebracht hätte, und wütend auf Smoke, weil sie seinetwegen beide fast im eiskalten Wasser ertrunken wären. Margo nahm die Wut des kleinen Wesens in sich auf und stellte

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