Stromschnellen: Roman (German Edition)
kriegen?«
»Sie brauchen mir nicht zu helfen.«
»Ich brauche einen Platz am Fluss.« Fishbone blinzelte, als der Zigarillorauch in seine Augen drang. »Und vielleicht hab ich ja auch eine Schwäche für Babys.«
»Was ist mit Nightmare?«, fragte Margo.
»Darüber wollte ich mit dir reden. Er sitzt im Pick-up.«
»Kann ich ihn sehen?«
»Meine Frau wollte ihn zu ihrem Schutz haben, aber er liegt nur da, rührt sich nicht von der Stelle und knurrt Tag und Nacht. Ich habe Smoky versprochen, mich um ihn zu kümmern, aber er hat schon fast sieben Kilo abgenommen, und seine Augen sind blutunterlaufen, als wäre er betrunken.«
»Er ist ein Flusshund«, sagte Margo. »Flusshunde müssen am Fluss leben.«
»Angenommen, er würde bei dir bleiben – was würdest du ihm zu fressen geben?«
»Er würde Fleisch kriegen, wie ich. Ich würde Bisamratten für ihn kochen und vorher die Drüsen entfernen. Aber ich kann auch Hundefutter für ihn kaufen, wenn er das lieber mag. Im Laden habe ich große Tüten für fünf Dollar das Stück gesehen.«
»Die Bisamratten solltest du besser draußen kochen. Und du könntest keine Fangeisen mehr auslegen. Außerdem würde er dir in deinem Hausboot überall im Weg sein, solange du noch darin wohnst. Du würdest den ganzen Tag über ihn stolpern.«
»Bisher hab ich nur Reusen verwendet, und die Waschbären fange ich lebend. Ich werfe sie mitsamt Käfig ins Wasser und ertränke sie.« Tatsächlich hatte sie die Fangeisen, die Smoke ihr geschenkt hatte, nie aufgestellt aus Angst, ein streunender Hund könnte hineintappen.
»Er würde jeden Mann, der hier aufkreuzt, anbellen und anknurren. Und wenn ihm einer nicht passt, will ich nicht ausschließen, dass er ihn beißt.«
»Er wird es gut bei mir haben.«
»Bist du sicher, dass du das willst?«
Was den Hund anging, war sich Margo sicherer, als was das Haus betraf, denn das klang zu schön, um wahr zu sein. Vielleicht hatte sie mit Blick auf Nightmare dasselbe sichere Gefühl, das Luanne damals gehabt hatte, als sie ihre Taschen packte und Murrayville verließ, um ein neues Leben anzufangen. Vielleicht hatte auch Joanna dieses Gefühl gehabt, als sie bei ihrer Hochzeit gelobte, ihren Ehemann zu ehren und ihm zu gehorchen und allen anderen Männern zu entsagen. Und vielleicht war Smoke sich, als er den Hang zum Fluss hinunterrollte, um sich zu ertränken, genauso sicher gewesen wie Margo jetzt in Bezug auf Nightmare.
Margo legte den Karpfen in einen Eimer, verschloss ihn fest mit einem Deckel und goss aus einem anderen Eimer etwas Quellwasser über das Schneidbrett. Dann nahm sie ihre Büchse, hängte sie sich über die Schulter und ging hinter Fishbone den Pfad zur Scheune entlang. Nightmare saß im Pick-up auf dem Fahrersitz. Als er Margo sah, stemmte er sich mit den Vorderpfoten gegen die Fensterscheibe. Fishbone öffnete die Tür, und Nightmare sprang schwerfällig zu Boden. Er lief zu Margo, duckte sich vor ihr, wackelte mit seinem kräftigen Schwanz und bellte einmal. Dann drehte er sich zu Fishbone um und knurrte.
»Herrgott noch mal, du Hundsvieh!«, schimpfte Fishbone und schüttelte den Kopf. »Ich hab dir doch nichts getan!«
Margo umarmte und streichelte Nightmare, dessen Rippen hervorstanden. »Sei ein braver Hund, Nighty. Wir päppeln dich schon wieder auf.«
»Du bist dir also sicher«, sagte Fishbone. »Er hat meiner Frau mit dem Schwanz ständig alles vom Couchtisch runtergefegt.«
Margo nickte. Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass Johnny wieder am Fluss auftauchen könnte. Sie hatte Angst gehabt, dass sein Geruch wie ein Schlüssel wäre, der ihren ganzen Körper aufschließen konnte, und es lag in seiner Natur, dass er sie in Versuchung führen würde. Doch nicht mit dem Hund an ihrer Seite, nicht mit dieser bellenden, knurrenden Mahnung, dass sie etwas dringender wollte, dass sie etwas besaß, was es zu beschützen galt.
»Haben Sie schon mal was von einem Hundestern gehört?«, fragte Margo.
»Das müsste Sirius sein. Der leuchtet in den meisten Nächten am hellsten.« Fishbone warf den heruntergebrannten Zigarillo weg und steckte die Spitze ein.
24. KAPITEL
Am ersten heißen Morgen im Mai erwachte Margo mit dem Gefühl, dass der Fluss durch den Regen der vergangenen Nacht rasch anschwoll. Über die Ufer würde er wohl nicht treten, aber das Wasser schien sie auf ihrem Boot grüßen zu wollen. Kurz vor dem Aufwachen hatte sie von ihrem Vater geträumt. Diesmal war er nicht wütend oder enttäuscht
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