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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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konnte, der in einiger Entfernung am Lattenzaun entlangfuhr. Cal nestelte an seinem Hosenschlitz. Er schien nicht zu hören, wie die Tür des Pick-ups quietschend aufgestoßen und wieder zugeknallt wurde. Er zog an seiner Zigarette, blickte starr auf das Glied in seiner Hand hinab und wartete darauf, dass etwas herauskam. Margo hockte sich im Schneidersitz hin, drückte den Gewehrkolben an die Schulter und nahm ihren Onkel ins Visier.
    Um sich besser konzentrieren zu können, verlangsamte sie Atmung und Herzschlag, wie Mr   Peake es ihr beigebracht hatte. Ihr Daddy hatte damit gedroht, ihren Onkel umzubringen, und wahrscheinlich war er jetzt hergekommen, um genau das zu tun. Margo sagte sich, dass ihr Vater es nicht überleben würde, wenn man ihn für das Verbrechen einsperrte, das er zu begehen im Begriff war. Sie wusste aber auch, dass er nicht auf einen Mann schießen würde, der verletzt war oder auf dem Boden lag. Also überlegte sie, selbst auf Cal zu schießen, bevor Crane hier war, ihn aber nur zu verletzen, nicht zu töten. Sie zielte auf einen seiner Thermoarbeitsstiefel. Aus der kurzen Entfernung würde die Kugel Leder und Isolierung durchschlagen und ihm den Knöchel zerschmettern.
    Sie ließ die Kimme an Cals rechtem Knie entlangwandern, um zu sehen, wie sie seine Kniescheibe zertrümmern konnte.
    Dann zielte sie auf seinen Oberschenkel. Im ersten Augenblick würde Cal nicht wissen, was ihn getroffen hatte. Ein verirrtes Hufeisen? Der Stachel einer Hornisse? Wenn die Kugel seinen Schenkel an der Vorderseite nur streifte, würde sie auf ihrem weiteren Weg die Holzwand des alten Schuppens durchschlagen und sich in den Boden aus gestampfter Erde bohren.
    Vor Jahren hatten Billy und Junior sie einmal auf diesen Boden niedergedrückt und ihr einen Regenwurm in den Mund gestopft, und aus Rache hatte sie den Jungs Dutzende Regenwürmer ins Bett gelegt. Junior hatte danach aufgehört, sie zu ärgern. Nachdem sie sich an Billy mit dem toten Stinktier gerächt hatte, das er ihr ins Boot gelegt hatte, hatte sie Joannas Tomatensaftbad über sich ergehen lassen müssen – eine Folge, die sie nicht bedacht hatte, wie ihr Daddy es ausdrückte – und trotzdem noch eine Woche lang selbst gestunken. Aber es war die Sache wert gewesen, Billy das Stinktier ins Gesicht und in die Haare zu reiben. Ihre Cousins hatten Margo ständig aufgezogen und sich gefreut, wenn sie ihr ein Kreischen entlocken konnten, aber sie hatten sie auch gefürchtet, weil sie immer mit ihnen abrechnete. Nur mit Cal hatte sie noch eine Rechnung offen.
    Als Crane die Stelle erreichte, an der sich der Pfad verbreiterte, merkte Margo, dass er die Büchse im Wagen gelassen hatte. Ihn hier und jetzt ohne Waffe zu sehen war für sie genauso ein Schock wie damals vor einem Jahr, als sie ihn im Krankenhaus zum ersten Mal ohne Bart gesehen hatte – man hatte ihn rasiert, um ihn an Wange und Kiefer nähen zu können. Danach hatte er sich keinen mehr wachsen lassen, den Angestellten im Lebensmittelladen war nämlich kein Bart erlaubt. Unter seiner Carhartt-Jacke trug er noch seinen türkisblauen Kittel. Er hatte sich also nicht den restlichen Tag freigenommen, er war nur nach Hause gekommen, um Margo zu kontrollieren. Und er war auch nicht gekommen, um Rache zu üben, er war hier, um sie am Ohrläppchen nach Hause zu schleifen , wie er es angedroht hatte. Auch wenn er noch so wütend war – ihr Daddy würde nie auf Cal schießen, nicht in einer Million Jahren. Und es war auch besser so, besser, wenn sie die Sache selbst in die Hand nahm.
    Erst nachdenken, dann handeln , hatte ihr Vater ihr immer wieder eingeschärft, aber sie hatte lange genug überlegt, und jetzt blieb ihr nur noch wenig Zeit zum Handeln.
    Leise schob sie eine Patrone in die Kammer und ließ den Verschluss mit einem geschmeidigen Klicken einrasten. Cal war immer noch mit Pinkeln beschäftigt. Er schaute über den Fluss. Margo musterte ihn von der Seite und kam zu dem Schluss, dass es ihr nicht um eine Entschuldigung ging. Sie senkte den Gewehrlauf und richtete ihn auf Cals Brust, dann wandte sie kurz den Blick ab und sah zu ihrem Vater, wie er mit leeren Händen näher kam. Erstaunlich, dass er es letztes Jahr geschafft hatte, einen so großen Mann wie Cal zu verletzen. Sollten die beiden erneut miteinander kämpfen, müsste sie Angst um ihren Vater haben.
    Margo hatte so einen Schuss aus zehn Schritt Entfernung schon tausend Mal mit der Winchester abgegeben. Sie hatte in den vergangenen

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