Studio 6
fragte Annika.
»Wahrscheinlich haben sie das Mädchen identifiziert und die Angehörigen benachrichtigt«, meinte Berit.
»Ja, aber warum berufen sie dafür eine Pressekonferenz ein?«
»Sie tappen im Dunkeln«, sagte Berit, »und brauchen die maximale Aufmerksamkeit der Massenmedien. Es gilt, den Detektiv namens Bevölkerung wachzurütteln, solange die Leiche noch frisch ist, und wir sind dabei sozusagen die Wecker.«
Annika schluckte. Sie schaute durch die Fensterscheibe.
Der Abend wirkte durch das getönte Glas diesig und grau.
Die Neonschilder am Fridhemsplan blinkten grell im schummrigen Abendlicht.
»Man sollte jetzt irgendwo draußen sitzen mit einem Glas Rotem«, sagte Bertil Strand.
Die beiden Frauen antworteten nicht.
Sie fuhren am Park vorbei, und Annika sah die Absperrungen im leichten Wind flattern. Der Fotograf fuhr um das Grün herum und dann zum Haupteingang an der Kungsholmsgatan.
»Das hat ja schon eine gewisse Ironie«, sagte Berit, »die größte Ansammlung von Polizisten in ganz Skandinavien ist nur zweihundert Meter vom Mordplatz entfernt.«
Der braune Gebäudekomplex des Landeskriminalamts ragte rechts von Annika in die Höhe. Sie drehte sich um und schaute durch das Rückfenster zum Park. Der grüne Berg lag im Schatten und füllte das ganze Fenster aus.
Plötzlich wurde ihr schwindelig, wie sie da so zwischen dem dunklen Grün und dem Plattenbau eingeklemmt war.
Sie wühlte in ihrer Tasche und fand eine Rolle harter englischer Pfefferminzbonbons. Schnell steckte sie sich zwei Stück in den Mund.
»Wir kommen gerade rechtzeitig«, sagte Berit.
Bertil Strand parkte dicht an der Kreuzung, und Annika beeilte sich auszusteigen.
»Du siehst etwas blass aus«, sagte Berit. »Wie geht es dir?«
»Prima«, sagte Annika. Sie warf die Tasche über die Schulter und ging auf den Eingang zu, wobei sie wie wild auf den Pfefferminzbonbons herumkaute. Ein Wachposten stand am Eingang. Sie zeigten ihre Presseausweise und betraten einen engen Raum, dessen größter Teil von einem Kopiergerät ausgefüllt wurde. Annika sah sich neugierig um. Rechts und links erstreckten sich lange Korridore.
»Das sind eigentlich die Abteilungen für Identifizierung und Fingerabdrücke«, flüsterte Berit.
»Geradeaus«, kommandierte der Wachmann.
»Landeskriminalamt« stand spiegelbildlich in blauen Buchstaben auf der Glastür vor ihnen. Berit drückte die Tür auf, und sie gelangten in einen weiteren Flur mit beigegelber Wandverkleidung. Etwa zehn Meter weiter rechts lag der Raum für die Pressekonferenz.
»Das ist der langweiligste Raum in ganz Schweden, wenn es darum geht, Bilder zu machen. Man kann nicht einmal einen Blitz an die Decke werfen, denn die ist dunkelbraun«, beklagte sich Bertil Strand.
»Haben Pressesprecher deshalb immer rote Augen?«, scherzte Annika vorsichtig.
Der Fotograf stöhnte nur.
Der Raum war sehr groß, orangefarbener Teppichboden, beigebraune Stühle, Textilkunst in Blaubraun. Eine kleine Gruppe von Journalisten hatte sich ganz vorn versammelt.
Arne Påhlson und ein weiterer Reporter vom Konkurrenzblatt waren gekommen und sprachen mit dem Pressesprecher der Polizei. Der Ermittler im Hawaiihemd war nicht da. Zu ihrem Erstaunen sah Annika, dass
Das Echo
vertreten war, ebenso wie die etwas vornehmere
Morgenzeitung,
die im selben Haus ansässig war wie das
Abendblatt.
»Mord wird gleich ein wenig seriöser, wenn eine Pressekonferenz einberufen wird, weißt du«, flüsterte Berit.
Im Raum war es drückend heiß, und Annika brach wieder der Schweiß aus. Da keine Fernsehsender da waren, setzten sie sich ganz nach vorn. Die Reihen direkt vor dem Podium wurden sonst immer von Kabeln und Fernsehkameras eingenommen. Die Leute von der Konkurrenz setzten sich neben sie, und Bertil Strand lud seine Kameras. Der Pressesprecher räusperte sich.
»Ja, herzlich willkommen«, sagte er und ging auf die kleine Bühne, die am Kopfende war. Er ging um ein Pult herum und setzte sich dann bedächtig hinter einen Konferenztisch, nestelte ein paar Papiere durch und klopfte gegen das Mikrofon vor sich.
»Also, wir haben Sie heute Abend eingeladen, um Sie über den Todesfall, der heute um die Mittagszeit im Zentrum von Stockholm entdeckt wurde, zu informieren«, sagte er und schob seine Papiere beiseite.
Annika und Berit saßen nebeneinander und machten Notizen. Bertil Strand ging etwas nach links und suchte durch die Linse verschiedene Winkel.
»Viele von Ihnen haben uns heute im Laufe des
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