Stürmische Eroberung
versteifte er sich. "Jeffrey? Was ist mit ihm, Pru?"
Sie schluckte und fürchtete, der zwischen ihnen geschlossene Waffenstillstand würde gleich wieder ein Ende finden. Ängstlich musterte sie ihn. "Ich … ich bin ihm begegnet", antwortete sie zögerlich.
"Wo? Wo haben Sie ihn getroffen?" fragte er streng und ergriff sie fest beim Arm.
"In Dorking, als ich mit Arabella dort einige Besorgungen machte. Ich … ich war gerade auf dem Weg zurück zur Kutsche, da fielen mir all meine Pakete herunter. Er half mir, sie aufzuheben."
Noch immer hielt er ihren Arm umfasst. Eine Weile sah er sie nur schweigend an. Offenbar dachte er angestrengt nach, ohne eine rechte Antwort zu finden.
"Woher wissen Sie, dass der Mann Jeffrey war?" wollte er schließlich wissen.
"Weil er es mir sagte", antwortete sie. "Ich war ihm schon einmal am Tag der Prozession begegnet – kurz bevor sie … nun ja …" Beschämt senkte sie die Lider, da sie sich wieder an den Kuss erinnerte. "Er half mir, durch die Menschenmassen bis an die Straße vorzudringen."
Prudence war nicht entgangen, dass sich seine Laune schlagartig verändert hatte. Alle Fröhlichkeit war aus den scharf geschnittenen Zügen gewichen und einem harten, unerbittlichen Blick gewichen. Obwohl sie nicht wusste, was der Grund für diese plötzliche Veränderung war, begriff sie in diesem Augenblick, dass Jeffrey es mit diesem Mann nicht aufnehmen konnte. Lucas war härter, Ehrfurcht gebietender.
"Mein Cousin war dort? An jenem Tag?" Sein Ton klang drohend.
Eilig nickte sie und versuchte verzweifelt, den Arm aus der Umklammerung zu befreien, doch Lucas packte nur fester zu.
"Damals wusste ich doch nicht, wer er war", rechtfertigte sie sich. "Das sagte er mir erst, als ich ihn in Dorking wiedersah. Er benahm sich … nun … wirklich ausgesprochen freundlich und höflich."
Lucas sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. "Freundlich? Höflich?" rief er so aufgebracht, dass sie zusammenzuckte. "Jeffrey ist zweifellos der schlimmste Schurke, den ich je getroffen habe, und eine Gefühlsregung wie Freundlichkeit ist ihm vollkommen fremd. Lieber Himmel, Pru, warum haben Sie Thomas oder mir nicht Bescheid gesagt?"
"Ich dachte, dass es nicht so wichtig wäre. Tatsächlich habe ich den ganzen Vorfall damals für vollkommen unbedeutend gehalten. Mir war ja bekannt, dass er in Hampshire lebt, und da Dorking nicht so weit entfernt davon liegt, konnte ich nichts Ungewöhnliches darin erkennen, ihn dort anzutreffen."
"Mein Onkel hat das Haus in Hampshire schon vor zehn Jahren verkauft, als er nach Marlden Hall zog."
"Davon hatte ich doch keine Ahnung! Aber es gibt noch etwas, von dem ich Ihnen berichten muss. Ihr Cousin war nicht allein in Dorking. Er befand sich in Begleitung eines Mannes. Es war Will Price. Ich weiß auch nicht, weshalb mich dieser Umstand so beunruhigt", erklärte sie leise. "Sie erinnern sich doch noch an Will?" fügte sie dann hinzu.
"Bestens", bestätigte er knapp. Er konnte sich zwar nicht zusammenreimen, woher die beiden Männer sich kannten und welche Verbindung zwischen ihnen bestand, aber er war sicher, dass dies kaum etwas Gutes zu bedeuten hatte. Kalte Wut erfasste ihn und steigerte sich zu brennendem Hass. Früher hätte er nie für möglich gehalten, dass Jeffreys Bösartigkeit so überhand nehmen könnte, dass der sogar seinen gesunden Menschenverstand vergaß. Aber da hatte er sich offenbar gründlich geirrt. Jeffrey hatte keine Grausamkeit unversucht gelassen, um Lucas davon abzuhalten, je wieder nach England zurückzukehren und sich selbst zum Erben von Marlden Hall zu machen.
Bis vor wenigen Minuten hatte Lucas den Cousin noch auf hoher See gewähnt. Ja, er war inzwischen fast sicher gewesen, dass der alte Feind nicht hinter dem nächtlichen Anschlag in London steckte. Doch da hatte er sich wohl leider geirrt. Jeffrey hatte genügend Zeit gehabt, einen seiner Häscher auf ihn anzusetzen.
Endlich ließ er Prudence' Arm los, strich sich durchs Haar und wandte den Kopf ab. Verdammt, warum hatte sie ihm das alles nicht eher erzählt? "Sagen Sie, Prudence, machen Sie stets aus allem, was Sie tun, ein so großes Geheimnis?" fragte er vorwurfsvoll.
"Selbstverständlich nicht. Was ist denn los, Lucas? Sind Sie nur deshalb so wütend, weil ich zufällig Ihrem Cousin begegnet bin? Was hat er Ihnen denn Entsetzliches angetan?" Mühsam versuchte sie zu verbergen, dass er sie mit seinem Zorn eingeschüchtert hatte. Offenbar war sie unfreiwillig in
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