Stürmische Eroberung
tun gerade so, als wäre alles meine Schuld. Immerhin habe ich die Nähe Ihres Cousins nicht gesucht. Jetzt bereue ich es, dass ich Ihnen die ganze Geschichte überhaupt erzählt habe. Schließlich bin ich nicht verpflichtet, Sie über mein Tun und Lassen zu unterrichten."
"Ich verbiete Ihnen, in diesem Ton mit mir zu sprechen", entgegnete er leise. "Sie vergessen wohl, dass ich weder Ihr Bruder noch Ihre Schwester bin."
"Fein beobachtet. Daher werde ich auch mit Ihnen reden, wie es mir beliebt. Sie haben nicht das Recht, mich herumzukommandieren. Oder wollen Sie meinem Bruder gar die Vormundschaft über mich streitig machen?"
Die beiden maßen einander eine Weile schweigend, dann ließ Lucas ihr Kinn los. "Nun gut", erklärte er dann beherrscht. "Nennen Sie es schlicht einen guten Rat, wenn Ihnen das besser gefällt."
"Ratschläge haben meist nur den Sinn, den anderen zu wohlgefälligerem Verhalten zu bewegen", antwortete sie trotzig.
Verärgert zog er die Brauen zusammen. "Ich bitte Sie nur, mir zu vertrauen. Wenn ich Sie in dieser Sache um Ihre Unterstützung ersuche, tue ich dies nicht zum Spaß. Es ist sehr wichtig, dass Sie mir oder Thomas schnellstens davon berichten, sollten Sie Jeffrey noch einmal treffen. Wagen Sie es nicht, Ihr Spielchen mit mir zu treiben, Pru." Seine Stimme klang sanft, enthielt aber einen warnenden Unterton.
Ihr Herz klopfte heftig. "Das habe ich nicht vor", flüsterte sie. Wenn sie doch nur wüsste, was hinter der ganzen Aufregung steckte!
Lucas warf ihr einen langen, durchdringenden Blick zu. Es fiel ihm schwer, der Gefühle Herr zu werden, die in seiner Brust tobten, wenn er daran dachte, dass ein bösartiger Schurke wie Jeffrey sich dieser Frau auch nur genähert hatte, die zu seinem teuersten Schatz geworden war! "Geben Sie mir Ihr Wort, dass Sie mich sofort in Kenntnis setzen, falls Sie Jeffrey je wieder begegnen sollten."
"Das gebe ich Ihnen gern." Sie schnappte nach Luft. "Aber Sie tun ja gerade so, als träfe ich Ihren Cousin absichtlich"
"Das stimmt doch gar nicht." Erst jetzt erkannte Lucas, wie sehr er sie verletzt hatte. Nun waren wohl alle Anstrengungen umsonst gewesen, die er den ganzen Tag lang unternommen hatte, um ein freundschaftliches Verhältnis zu ihr aufzubauen. Dabei konnte er sich kaum erinnern, wann er je glücklicher gewesen wäre als heute – in ihrer Gesellschaft. Doch nach seinem letzten Auftritt hasste sie ihn sicher wieder. Was war er doch für ein Dummkopf! Am liebsten hätte er sie um Vergebung angefleht. All sein Zorn war augenblicklich verflogen. Er sah nur den Schmerz in ihren Augen, an dem er die Schuld trug.
Wie war es nur so weit gekommen? Dabei hatte er doch heute so viele neue Eigenschaften an ihr entdeckt, die er über die Maßen schätzte. Sie war klug, witzig und eine angenehme Gesellschafterin. Zudem war sie in keiner Weise eingebildet und wusste sich ohne jede Künstelei ausgezeichnet zu benehmen – obwohl sie ihm da bestimmt widersprechen würde. Er war zehn Jahre älter als sie, weltgewandt und erfahren, und dennoch gelang es ihr spielend, ihn mit einem einzigen Blick um den Finger zu wickeln. Für den Rest seines Lebens wollte er sie lieben und beschützen – dabei hatte er sich solcher Gefühle schon seit langem nicht mehr für fähig gehalten.
"Verzeihen Sie mir, meine Kleine", sagte er schließlich. "Ich war eigentlich nicht wütend auf Sie, sondern auf mich selbst. Natürlich habe ich Ihnen nichts vorzuwerfen. Ich mache mir nur große Sorgen, weil mein verderbter Cousin Ihre Nähe sucht. Wenn ich nur daran denke, dass er Ihnen etwas antun könnte, will mir das Herz zerspringen. Bitte verzeihen Sie mir, dass ich Sie verletzt habe."
Prudence schaute ihn verwirrt an. Noch nie hatte sie diesen Ton in seiner Stimme vernommen. Wie gelang es diesem Mann nur, stets die widersprüchlichsten Gefühle in ihr zu wecken? "Das wird mir zweifellos leichter fallen, wenn Sie mir sagen, was Ihr Cousin Ihnen Schreckliches angetan hat."
Er schüttelte leicht den Kopf und strich ihr sanft über die Wangen. "Sie sind viel zu jung, um von den Kämpfen zu erfahren, die Jeffrey und ich seit langer Zeit miteinander ausfechten."
Die zarte Berührung verwirrte sie, und ihr Atem ging schneller. Allein seine Nähe beunruhigte sie auf eine Weise, die sie sich nicht zu erklären vermochte. Wie verzaubert konnte sie den Blick nicht von ihm abwenden, während in ihrem Innern ein wahrer Sturm der unterschiedlichsten Empfindungen tobte. Unwillkürlich
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