Stürmische Eskapaden - Lady in Waiting (Featherton 2)
selbstverständlich nicht hinein gehen. Stattdessen wollte sie sich vor dem Gebäude herumdrücken und wachsam Ausschau halten.
Sie war beinahe sicher, dass die geheimnisvolle Frau in Rot mit den abgewetzten, schäbigen Schuhen und ihren beiden Begleitern dort sein würde und ein weiterer schurkischer Versuch, die Feinen und Vornehmen von Bath zu berauben, im Gange wäre.
Als sie an der Trinkhalle vorbeiging, verharrte sie kurz vor den Fenstern, doch von dem verdächtigen Trio war keine Spur zu entdecken.
Tief enttäuscht, dass ihr das erhoffte Vergnügen vorenthalten wurde, machte Jenny auf dem Absatz kehrt und wandte sich wieder Richtung Royal Crescent. Es gab noch Wäsche zu bügeln, Schuhe zu putzen … und in der Destillationskammer
Creme anzurühren - klammheimlich, versteht sich. Diese Aufgaben würden ihr als Vergnügung für den heutigen Tag genügen müssen.
Plötzlich öffnete der Himmel seine Schleusen, und eiskalte Tropfen prasselten herab. Jenny zog den Wollumhang ihrer Mutter enger um ihre Schultern.
Der Guss wurde zu einem Sturzregen, und binnen weniger Augenblicke war Jenny bis auf ihr Unterhemd durchnässt.
Dann stieg ihr mit einem Mal ein widerlicher Geruch in die Nase. Sie schnüffelte und erkannte, dass der Gestank von ihr stammte.
Oh verflixt und zugenäht , der feuchte Umhang ließ sie stinken wie ein nasses Schaf.
Jenny blickte wütend zum grauen Himmel auf, während sie spritzend über den Platz vor der Abteikirche eilte. Nirgends war auch nur ein Fleckchen Blau am Himmel zu sehen, und wenn sie nicht irgendwo Zuflucht suchte, würde sie sich bald eine schreckliche Erkältung einfangen. Und das wäre das Ende der vornehmen Lady Genevieve.
Alle Zofen und Diener in Bath würden zu ihrer Beerdigung kommen, sinnierte Jenny. Selbstverständlich kämen sie, und während der Dauer ihrer Beisetzung würde in der ganzen Stadt kein einziges Hemd gebügelt, keine einzige Mahlzeit zubereitet und kein einziger Kamin entzündet werden. Bei dieser Vorstellung kehrte ihr Lächeln zurück, und sie beschleunigte ihre Schritte.
Die feine Gesellschaft wäre bestürzt und entrüstet über diese Arbeitseinstellung, und das Interesse des berühmt-berüchtigten anonymen Klatschkolumnisten wäre geweckt.
Jenny verzog erschreckt das Gesicht - denn wenn das passiert, würde es ihren Untergang bedeuten. Da der Klatschkolumnist von Natur aus neugierig war, würde er zweifellos die geheimnisvolle Vergangenheit der vornehmen Lady, die von
den Domestiken so verehrt wurde, unter die Lupe nehmen. Der Kolumnist würde graben und spionieren und schnüffeln. Und am Ende würde er sie als die Zofe entlarven, die sie war. Wie schrecklich das wäre!
Was würde Callum dann von ihr denken?
Sie kniff angestrengt ihre Augen zusammen und schaute sich um. Die Abteikirche lag direkt vor ihr, doch der graue Schleier des kalten, peitschenden Regens verbarg die hoch aufragenden Türme. Es war gewiss eine Täuschung des Lichts und des Nebels, doch es schien so, als ob die steinernen Engel, die die beiden Himmelsleitern der Abteikirche erklommen, am heutigen Tage eine Chance hätten, ihr Ziel zu erreichen.
Da die Frühmesse mindestens zwei Stunden zuvor zu Ende gegangen war, schlüpfte Jenny in das Gotteshaus, um ihrem vorzeitigen Tod und der unausweichlichen Entlarvung als Kammerzofe zu entgehen.
Ihre Stiefelschritte hallten laut, als sie das lange, helle Seitenschiff entlangging. Sie setzte sich still auf eine der Sitzbänke an der Wand und schaute verzückt lächelnd hinauf in das prachtvolle Fächergewölbe über dem Altar und auf die wunderschönen Buntglasscheiben des Lichtgaden im Mittelschiff.
Alles war unendlich friedlich und still. Hier konnte sie mit ihren geheimsten, innigsten Gedanken allein sein … und über den Schnitt ihres nächsten Ballkleids nachsinnen - denn sie würde gewiss schon bald ein neues brauchen.
Ein Husten lenkte ihren Blick zum vorderen Ende der Abteikirche. Durch einen der Bögen, halb verborgen in den Schatten unter den prächtigen Glasfenstern, stand ein bemerkenswert hochgewachsener Mann.
Gütiger Himmel! Jenny beugte sich vor, um besser sehen zu können. Trug er einen Kilt?
Sehr vorsichtig erhob sie sich von der Bank und schlich auf Zehenspitzen, um sich nicht durch das Geräusch ihrer Schritte zu verraten, durch den Bogen auf ihn zu.
Er stand mit dem Rücken zu ihr, doch als sie näher kam, bestand kein Zweifel mehr daran, dass die stattliche Gestalt mit den breiten Schultern und den
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