Stürmische Eskapaden - Lady in Waiting (Featherton 2)
Gesellschaft ein Ende setzen würden?
Ihr Blick fiel auf das lavendelfarbene Jungmädchenkleid in ihrem Nähkorb. Sie sollte sich besser unverzüglich ans Umarbeiten machen. Jenny griff sich den Korb und wurde sogleich daran erinnert, wie übermüdet sie war, denn bei jedem Schritt verursachte ihr selbst das geringe Gewicht des Nähkorbes ein schmerzhaftes Ziehen im Rücken.
Dann hatte sie plötzlich einen Gedankenblitz. Natürlich! Jetzt, wo sie ein paar Guineen hatte, könnte sie vielleicht auf die Dienste von Witwe McCarthys Näherin nebenan zurückgreifen. Ja, sie könnte sie dafür bezahlen, dass sie das Kleid änderte, nach Jennys Vorgaben selbstverständlich.
Jenny öffnete die Tür ihrer kleinen Kammer und wagte dabei nicht, zum Bett zu schauen, aus Angst, es könne sie zu einem kleinen Schläfchen verlocken. Stattdessen griff sie nach ihrer Haarbürste mit den Wildschweinborsten und nach ihrem kleinen Handspiegel, um sich zurecht zu machen. Doch als sie in den Spiegel lächelte, ließ der Anblick der dunklen Schatten unter ihren Augen und ihrer kränklich blassen Gesichtsfarbe ihre gute Laune sogleich verfliegen.
Du liebe Güte , sie sah ja zum Fürchten aus. Warum hatte sie nicht einen Tiegel der Gesichtscreme für sich selbst zurückbehalten? Es bedurfte wohl kaum jemand dringender der belebenden Wirkung der Creme als sie an diesem Morgen.
Jenny stürzte aus ihrer Kammer, quer durch die Küche und riss die Hintertür auf. Ihr Blick wanderte verzweifelt zu dem Weidenkorb.
Verflixt ! Die beiden übrig gebliebenen Tiegel waren weg.
An ihrer Stelle lagen zwei handgemachte derbe Geldbeutel im Korb - und neun Steine. Gütiger Himmel, nicht noch mehr Bestellungen!
Jenny stöhnte bei dem Gedanken an eine weitere schlaflose Nacht.
Sie nahm den Korb und schlurfte damit durch die Küche,
an den beiden neugierigen Mägden vorbei, und zurück in ihre Kammer.
Sie würde das nicht überleben. Ihre Lider schienen nur darauf zu lauern, dass sie blinzelte, damit sie sich für mindestens vier Stunden schließen konnten.
Wer hätte gedacht, dass es so schrecklich anstrengend sein würde, eine Lady zu sein?
Als die Uhr zehn schlug, war Meredith vollständig angekleidet und frühstückte im Esszimmer mit ihren beiden Großtanten. Ihre Stimmen waren zu einem leisen Flüstern gesenkt, doch mit etwas Anstrengung konnte Jenny genug aufschnappen, um zu wissen, dass die beiden begeisterten Ehestifterinnen einen neuen Plan ausheckten, um Lord Argyll in ihr Haus zu locken.
Als es halb elf wurde, hatte Jenny ihre tägliche Bügelarbeit erledigt oder zumindest genug getan, dass es so aussah, sollte jemand kommen und es überprüfen. In Wahrheit hatte sie nur drei von Merediths Chemisen gebügelt und damit die andere, noch immer knittrige Kleidung im Wäschekorb zugedeckt.
In jedem Fall wurde sie jetzt bis zur nachmittäglichen Teestunde nicht mehr gebraucht, und deshalb beschloss Jenny, die ungewohnte arbeitsfreie Zeit zu nutzen, um sich um ihre eigenen dringenden Näharbeiten zu kümmern.
Jenny schaute sich wachsam um, dann stibitzte sie den Wollumhang ihrer Mutter vom Haken neben der Hintertür und legte ihn sich um die Schultern.
Der Stoff kratzte an ihren Armen und ihrem Hals wie eine Armee von Ameisen. Doch sie musste sich den Umhang borgen, denn er verbarg das große, dicke Bündel mit Merediths abgelegtem lavendelfarbenen Kleid, mit dem Jenny sich aus dem Haus stehlen wollte.
Gütiger Himmel, der Umhang war scheußlich. Jenny konnte
es kaum ertragen, ihn anzuhaben. Und deshalb holte sie, bevor sie das Haus verließ, noch schnell die satinbespannte Hutschachtel von Matilda’s aus ihrem Kleiderschrank und setzte sich die eleganteste Samtkappe auf, die sie besaß. Auf die Weise würden die Blicke von jedem, dem sie zufällig auf dem Weg begegnete, von der Kappe abgelenkt, und niemand würde den abscheulichen Umhang bemerken, überlegte sie sich.
Sie schlüpfte im Nachbarhaus zum Dienstboteneingang hinein, und traf dort auf Molly, die Näherin der Witwe, die, ganz wie Jenny gehofft hatte, mehr als bereit war, sich hinter dem Rücken ihrer Herrin ein bisschen Geld hinzuzuverdienen.
Sobald das erledigt war, begab Jenny sich in die Trim Street, um bei Mrs. Marshall das neue Kleid in Auftrag zu geben, und anschließend machte sie sich auf den Weg ins Zentrum von Bath.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, Jenny konnte es gar nicht abwarten, das Kurhaus zu erreichen. In ihrer ärmlichen Aufmachung würde sie
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