Stürmische Eskapaden - Lady in Waiting (Featherton 2)
Argyll stand natürlich ganz oben auf ihrer Gästeliste, doch die Damen hatten zugegeben, dass sie ihre Gastfreundlichkeit auf wenigstens eine weitere Person ausgedehnt hatten. Es sollte schließlich nicht so aussehen, als sei das festliche Mahl nur eine List, um Callum und Jenny zusammenzuführen. Was es selbstverständlich war.
Ein Spinettspieler und ein Kammerquartett waren engagiert worden, um genau die richtige Musik zu spielen, damit Jenny die neu erlernten Tanzschritte zur Schau stellen konnte. Ja, die Ladys scheuten wirklich keine Kosten und Mühen, um Jenny und Callum zusammenzubringen.
Das Erstaunlichste war jedoch das neue Abendkleid, das gerade aus Bristol eingetroffen war.
Als Jenny das Paket auswickelte, musste sie Lady Viola im
Stillen zu ihrem erlesenen klassischen Geschmack gratulieren, auch wenn sie dieses Stilgefühl nie auf ihre eigene Kleidung anzuwenden schien. Die elegante Robe war aus edler taubengrauer Seide gearbeitet, mit kleinen Puffärmeln, so zart wie Sommerwolken. Dazu gehörte ein hauchdünnes Überkleid, das mit glitzernden Silberfäden durchwirkt und mit Süßwasserperlen bestickt war, die im Kerzenlicht funkelten und schimmerten.
Und dennoch vermochte selbst ein solch märchenhaftes Kleid Jennys Stimmung nicht zu heben. Sie wusste, dass sich daran auch nichts ändern würde, bis sie herausfand, wie es um sie und Callum stand.
Jenny verschränkte ihre Arme vor der Brust und schaute angewidert auf die zehn Cremetiegel, doch dann erhellte sich ihre Miene plötzlich. Sie eilte in ihre Kammer, zog die Schublade ihrer Kommode auf und holte ein verknittertes, doch immer noch brauchbares Stück Büttenpapier sowie einen schartigen Federkiel und ein Tintenglas hervor. Blitzschnell hatte sie ihre Botschaft niedergeschrieben:
Lady E. ist am heutigen Abend leider außerstande, mehr als zehn Bestellungen zu erfüllen.
Mit dem ersten Lächeln des Tages befestigte sie den Zettel am Henkel ihres Bestellkorbes und stellte den Korb vor die Tür.
Jenny hüpfte förmlich zurück in ihre Kammer und ließ sich aufs Bett fallen. Heute Abend würde sie endlich etwas Schlaf bekommen.
Während sie so auf dem Rücken dalag, streckte sie die Hand aus, griff nach ihrem ovalen Spiegel und betrachtete sich darin.
Oh weh . Ihr Gesicht war so aschfahl wie eine sich zusammenballende Regenwolke! Sie konnte heute Abend auf keinen
Fall das taubengraue Kleid tragen. Sie würde Callum kaum für sich gewinnen, wenn sie aussah, als wäre sie gerade dem Grabe entstiegen.
Was sollte sie nur tun?
Plötzlich hatte Jenny einen Gedankenblitz und fuhr kerzengerade im Bett hoch. Die Creme .
Sie griff sich den von Tinte triefenden Federkiel und stürzte vor die Hintertür, um eilig die »zehn Bestellungen« in ihrer handgeschriebenen Botschaft durchzustreichen und durch »neun Bestellungen« zu ersetzen.
Dann nahm sie sich einen Cremetiegel und ging damit zurück in ihre Kammer. Wenn ein kleiner Klacks den uralten Gesichtern der Featherton-Ladys ihren jugendlichen Teint wiedergab, dann könnte eine gute Hand voll genau das Richtige sein, um Jenny aus dem Reich der Toten wiederauferstehen zu lassen.
Froh gestimmt langte sie in den Tiegel und schmierte sich die Creme großzügig auf die Wangen, unter ihre hundemüden Augen und auf die Stirn. Da sie ihrem Tagwerk nicht nachgehen konnte, solange die Prickelcreme ihr Gesicht bedeckte wie weiße Gischtkronen, beschloss Jenny, sich aufs Bett zu legen und sich zehn Minuten auszuruhen, während die Creme die erwarteten Wunder wirkte.
Wer würde sie schon für kurze zehn Minuten vermissen?
»Was hast du dir nur dabei gedacht, Mädel? Du kannst doch nicht den ganzen Tag verschlafen, wenn es gilt, ein Fest heute Abend vorzubereiten!«
Jenny öffnete blinzelnd ihre Augen. Ojemine ! Ihre Augen brannten wie Feuer. Sie musste etwas von der Creme hineinbekommen haben.
»Gütiger Himmel, Jenny. Was hast du dir denn da übers ganze Gesicht geschmiert?«
»Ach, nur ein wenig von meiner Creme. Ich dachte mir, es würde meinen Wangen heute Abend bei dem Fest eine frische Farbe verleihen.«
Doch der entsetzte Gesichtsausdruck ihrer Mutter sagte ihr, dass die Creme weit mehr als das getan hatte.
Eilig griff sie sich ihren Handspiegel und schaute hinein. Es schaute ein Ungeheuer mit rotem, aufgedunsenem Gesicht zurück, wie sie noch nie eins gesehen hatte! Der Handspiegel glitt ihr aus den Fingern und zersplitterte auf dem Fußboden.
»Oh Mutter, was soll ich nur tun?«
Die
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