Stürmische Eskapaden - Lady in Waiting (Featherton 2)
Blick über die Auslage schweifen ließ, wollte ihr nichts wirklich gefallen.
Na ja, der Rote mit dem elfenbeinfarbenen Rand war recht ansprechend. Da wäre sie nicht abgeneigt. Und vielleicht, ganz vielleicht, würde sie der simple Akt des Kaufens aus ihrer melancholischen Stimmung reißen.
Als Mr. Bartleby, der Ladenbesitzer, herankam, zeigte Jenny auf den Schal und setzte zu sprechen an, doch eine andere Kundin kam ihr rüde zuvor.
»Ich nehme den Roten.«
Bartleby beugte sich vor und berührte einen roséfarbenen Schal zur Linken.
»Nein, nein. Den da!«, beharrte die Frau und stieß mit ihrem Zeigefinger gegen die andere Seite der Glasscheibe.
Jenny wollte ihren Augen nicht trauen. Der Ladenbesitzer langte nach ihrem roten Schal mit dem elfenbeinfarbenen Rand!
»Halt!«, schrie Jenny förmlich. »Der gehört mir . Ich habe ihn zuerst gesehen, und ich war als Nächste an der Reihe.« Sie drehte sich erbost zu der unhöflichen Frau um. Doch als sich ihre Blicke trafen, fühlte Jenny, wie ihr die Knie weich wurden.
Es war die Frau in Rot, die sie in der Trinkhalle gesehen hatte! » Sie !«, zischte sie.
Die Frau hinter ihr, die wenigstens eine Handbreit größer
war als Jenny, rümpfte verächtlich die Nase. »Ich habe zuerst nach dem Schal gefragt. Er gehört mir .«
Jenny drehte abrupt ihren Kopf um und entriss Mr. Bartleby den Schal mit ihrer linken Hand, während sie mit der rechten in ihrem Retikül nach einer Münze angelte. Dann reichte sie beides dem Ladenbesitzer.
»Hier, Sir. Würden Sie ihn bitte einpacken? Ich nehme ihn gleich mit.«
Zu ihrer Verblüffung schüttelte der Mann seinen Kopf. »Ich sagte Ihnen doch, dass Sie nicht wiederkommen sollten - nicht ohne all das Geld, das Sie mir schulden.«
Jenny hielt ihr Retikül hoch. »Aber ich habe für den Schal bezahlt.«
»Können Sie Ihre angeschriebenen Schulden begleichen?«, entgegnete er mit einer sonderbaren Stimme, die klang, als hätte er eine verstopfte Nase.
Verflixt ! Sie hatte jede Menge Geld dabei, aber eben nicht genug, um ihre angeschriebenen Schulden zu bezahlen. »Nicht ganz, aber ich kann -«
Mr. Bartleby lächelte, während er den Schal in ein Stück braunes Papier einwickelte.
Jenny drehte sich um und schenkte der Frau hinter sich ein selbstzufriedenes Grinsen.
Doch dann tat der Ladenbesitzer das Undenkbare. Er reichte das Paket über Jennys Kopf hinweg der Frau aus der Trinkhalle.
»Vielen Dank auch«, sagte die Frau und schenkte Jenny einen belustigten Blick, während sie Mr. Bartleby eine Goldmünze zuwarf.
Jenny riss die Augen ungläubig auf. Ihre Gesichtszüge entgleisten, und ihre Kinnlade klappte herunter.
»Kommen Sie wieder, wenn Sie Ihre gesamten Schulden begleichen können«, sagte der Ladenbesitzer zu ihr, »dann werde
ich gern wieder Geschäfte mit Ihnen machen. Bis dahin werde ich die Guinee, die Sie mir gegeben haben, auf Ihre Schulden anrechnen.«
»Pah!«, entfuhr es Jenny. Sie packte Annie am Arm und wandte sich zur Tür. »Ich muss doch sehr bitten!«
»Nein, ich muss sehr bitten - um Bezahlung nämlich«, rief der Ladenbesitzer Jenny mit einem gehässigen Kichern hinterher, als sie das Geschäft verließ.
Nachdem sie beim Apotheker die Zutaten erstanden hatte, die sie benötigte, kehrte Jenny zum Royal Crescent zurück. Als sie an jenem Abend nach Hause kam, türmten sich achtzehn weitere Steine in dem Bestellkorb. Sie hätte beinahe geweint, als sie den wackeligen Haufen sah.
Am nächsten Morgen, nachdem sie die ganze Nacht damit zugebracht hatte, über einem dampfenden Kessel zu schuften und anschließend die Mischung aus feuchtigkeitspendender Creme und ätherischen Ölen in nicht weniger als fünfzig Tiegel abzufüllen, war Jenny völlig erschöpft.
Nichtsdestotrotz saß sie nun mit ihrer Herrschaft im Salon, die Hände artig im Schoß gefaltet, und wartete auf den Tanzmeister.
Lady Letitia musterte sie durch die Lorgnette, die sie an einer Goldkette um ihren Hals trug. »Liebe Güte, Mädel, du bist ja aschfahl heute Morgen. Hast du denn nicht geschlafen?«
»Ach, Schwester. Wie taktlos du doch manchmal bist. Es ist offensichtlich, dass sie nicht geschlafen hat, und wer kann es ihr verübeln? Lord Argyll hat sie gestern geküsst. Der erste Kuss ist für ein Mädchen ein weltbewegendes Erlebnis.«
Bei dieser Bemerkung räusperte sich Mr. Edgar lautstark, der gerade ein Tablett mit Tee und Gebäck hereingebracht hatte. »Ich bitte um Verzeihung, Myladys«, murmelte er. »Ein
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