Stürmisches Paradies
wischte sich den Schweiß von den Augenbrauen. »Dein Vater dreht sich bestimmt im Grabe herum, während wir sprechen.«
Alicia seufzte. »Er war derjenige, der es mir geraten hat, erinnerst du dich?«
»Ich bin sicher, er hatte nicht angenommen, du würdest alleine losziehen. Wie willst du überhaupt nach Tortuga kommen?«
»Ich habe mir die Überfahrt organisiert«, antwortete sie. Er zog fragend die Augenbraue hoch und sie fügte hinzu: »Ich werde Geld dafür brauchen, und ich kann wenig erübrigen. Du kannst es dir nicht leisten, mit mir zu gehen, und ich kann mir keine Anstandsdame leisten.«
»Ich bin mir sicher, deine Tante würde für eine aufkommen.«
Alicia lachte. »Wenn sie davon wüsste, würde sie mich in ihrem Haus einsperren und mich nie mehr laufen lassen.«
»Keine schlechte Idee«, grummelte Charles und strich mit der Hand über die Klinge.
»Es wird mir gut gehen. Tagein, tagaus auf Stahl einzuhämmern hat mir Kraft verliehen. Außerdem, ich habe nicht jahrelang in dieser Werkstatt gearbeitet, ohne gelernt zu haben, jede einzelne dieser Waffen auch zu benutzen.«
Er seufzte schwer. »Und du wirst mindestens fünf von jeder Sorte mitnehmen?«
Sie lächelte liebevoll. »Ich verspreche, dich zu benachrichtigen, so schnell ich kann.«
Charles lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Werkbank. »Ausgerechnet Tortuga. Das ist kein Ort, an dem eine junge Frau sich aufhalten sollte, ganz besonders nicht ohne Begleitung.«
»Ich werde nicht lange dort bleiben. Nur so lange, bis ich Mr. Merritt finde.«
Er rieb sich sein stoppeliges Kinn. »Es kommt mir merkwürdig vor, dass dich dein Vater zu jemandem schickt, von dem ich noch nie etwas gehört habe.«
Alicia zuckte die Schultern, begutachtete die Reihe von Messern und nahm dann zwei, die klein genug waren, dass sie sie verstecken konnte. Sie schob sie in den Bund ihrer Hose. Sie wählte eine kleine Pistole aus, die man ebenfalls leicht verbergen konnte und ignorierte dabei Charles’ gequältes Ächzen.
»Nun gut, es muss jemand sein, dem er vertraut, sonst hätte er es nicht getan.« Sie nahm ein Schwert, streckte es aus, ließ es hin und her sausen und fügte es ihrem Waffenlager hinzu.
»Hier«, sagte Charles und nahm eine größere Pistole aus einem Regal. »Diese nimmst du wohl besser auch noch mit.«
4
Der Rum hatte nicht die gewünschte Wirkung, und das lag nicht daran, dass Blake Merritt es nicht ausgiebig probierte. Er brüllte nach einem weiteren und wusste, er war in einer Notlage, als das Frauenzimmer, das den Rum brachte, nicht die geringste Reaktion bei ihm auslöste, ganz gleich, wie viel Busen ihrem Mieder auch entwischte. Normalerweise hätte er auf ihr Zwinkern und ihr verführerisches Lachen reagiert. Er wäre ihr nach oben gefolgt und hätte seine Probleme in bedeutungslosem Sex vergraben. Aber nichts war normal und war es auch schon seit beinahe einer Woche nicht mehr gewesen. Nicht, seit er davon gehört hatte.
Er stürzte den halben Becher in einem langen Zug hinunter.
»Blake, Junge«, donnerte eine Stimme über die Flüche und Zecherei hinweg, sodass die Mauern der Dublone bebten. »Wo bist du gewesen? Hab dich seit Monaten nicht gesehen.«
Blake hob den Kopf, sein Blick maß den Körper des Riesen ab, bis er das Gesicht des Mannes erreichte. »Nun ja, Kapitän, ich nehme an, du warst in letzter Zeit nicht oft da, denn ich sitze hier schon seit Tagen.«
Der Kapitän setzte sich hin und bewahrte Blake so vor einer Genickstarre. Als er sich vorbeugte, bedeckte seine große Hand ein gutes Stück des Tisches.
»Nein, kann ich nicht behaupten. Ich war ein wenig … beschäftigt.« Er grinste.
Ganz genau zu wissen, was er meinte, half Blake nicht im Geringsten, sich selbst besser zu fühlen. Er konnte in letzter Zeit keine Lust auf etwas anderes als Schnaps verspüren.
»Also«, sagte der Kapitän, schlug auf den Tisch und ließ ihn dabei erzittern. »Was treibt dich her? Ist ja nicht so, als ob du gern länger irgendwo bleiben würdest.«
Blake zuckte mit den Schultern, war aber nicht in der Stimmung, seine Probleme zu diskutieren.
Die dröhnende Stimme vom Kapitän ließ Blake zusammenzucken. »Es ist’n Frauenzimmer. Ist ja immer eins, nicht wahr? Welche wollte dich denn diesmal heiraten?«
Trotz seiner schlechten Laune musste Blake lachen. Der Kapitän hatte recht. Jedes Mal, wenn er nach Tortuga kam, schien er einen Heiratsantrag zu bekommen.
»Diesmal nicht. Obwohl ich sagen muss, so sehr ich
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