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Stunde der Klesh

Stunde der Klesh

Titel: Stunde der Klesh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. A. Foster
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Bei ihm wird ein Phänomen deutlich, das noch vielschichtiger ist … In der Bahn der Geschichtsentwicklung treten manchmal Lücken, Leerstellen auf, die bestimmte Individuen anziehen. Gleichzeitig bestimmt die Art dieser Leerstelle weitgehend das Verhalten der Person, die die Stelle einnimmt. Wenn wir in der Zeit zurückgehen könnten und Hitler einfach entfernen würden, noch bevor er irgendeine einflußreiche Position einnehmen konnte, würden wir beobachten können, wie einfach irgendein anderer an seine Stelle tritt. Es wäre allerdings höchst gefährlich, einen solchen Versuch zu unternehmen, denn sein Stellvertreter würde die Position vielleicht viel besser ausfüllen als er. Hitler war ein Werkzeug der Geschichte und nicht ihr Beherrscher, wie er glaubte. Man kann sagen, daß viele Politiker nur Lückenbüßer im Sinne unseres Beispiels sind. Sie sind keine Veränderer, sie haben nicht die geheime Kraft … Es gibt allerdings Ausnahmen.“
    „Cretus zum Beispiel?“
    „Es scheint so, nach allem, was wir wissen.“
    „Wie ist es mit dem Ler-Volk? Wie siehst du eure eigene Geschichte?“
    „Der Bau unserer Kultur ist komplexer als der der menschlichen Kultur und setzt sich aus einer größeren Vielfalt von Einzelheiten zusammen. Das legt die Vermutung nahe, daß die Bahn unserer Geschichte schwerer zu verändern ist; und tatsächlich sind zufällige Schwankungen weitgehend ausgeschlossen. Wille und Gedanke bestimmen bei uns alles. Darum könnte jeder Ler jederzeit bewußt verändernd auf die kulturelle Basis einwirken. Daraus ergibt sich, daß …“
    „Ihr euch ständig verändert.“
    „Ganz im Gegenteil! Daß wir mit aller Macht verhindern, daß jemand den Kurs zu ändern versucht. Der Gedanke an eine solche Veränderung erschreckt uns zutiefst, da wir nicht vorhersehen können, wohin sie uns führen würde. Erst ein einziges Mal in unserer Geschichte hat jemand einen solchen Eingriff gewagt, und die Folgen waren unabsehbar. Noch heute wirkt der Schrecken in uns nach.
    Dieses Ereignis birgt übrigens einen Widerspruch, zu dessen Lösung ich hierhergekommen bin.“ Sie lag seitlich neben Meure, und ihr nackter Oberschenkel ruhte auf seinen Knien. Jetzt glitt ihr Bein zart an seinen Schenkeln hinauf. „Ich soll mit meiner Reise hierher, nach Monsalvat, die Arbeit von Generationen zu einem Ende führen …“
    „Und du sollst Cretus hervorholen, um jeden Preis … Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht betrügen, aber bisher hast du nur Meure Schasny bekommen, nicht mehr und nicht weniger. Was wir zusammen erlebt haben war … wundervoll. Aber ich bin dein Liebhaber gewesen, nicht Cretus.“
    „Ich habe meinen Körper nicht mit deinem verflochten, um Cretus hervorzulocken. Das wäre sowieso ungeschickt, denn es ist das Versprechen eines Vergnügens, nicht das Vergnügen selbst, das ihn in Versuchung führen würde. Zu einem Teil habe ich gehofft, daß du ihn mir wegen dieser Nacht übergeben würdest, aber ich hatte auch meine eigenen, privaten Gründe.“ Nach einem Atemzug fuhr sie fort: „Nimm es an und stelle keine Fragen.“
    „Ich will etwas wissen. Ich bin es leid, im Nebel herumzutappen und von anderen für ihre Zwecke benutzt zu werden.“
    „Du besitzt eine seltene Eigenschaft, die man in meiner Sprache Wurwan nennt. Am besten könnte man es mit ‚Unschuld’ übersetzen … Du nimmst alles an, so wie es dir geboten wird.“
    Flerdistar unterbrach sich, als wolle sie ihre folgenden Worte noch einmal überdenken, aber sie kam nicht dazu. Ganz aus der Nähe ertönte vom Deck der Barke eine leise Stimme: „Eine andere Erklärung böte sich ebenfalls an. Sie mag ein wenig unhöflich klingen, aber dafür hat sie einen hohen Wahrheitsgehalt: Wenn der Prinzessin Gefolgsleute in der geeigneten Zahl und Art nicht zur Verfügung stehen, dann muß diese eben an Orten nach ihnen Ausschau halten, die den unbefangenen Beobachter überraschen.“
    Meure drehte sich auf die andere Seite und sah sich um. Wie er es erwartet hatte, sah er Clellendol auf der Reling sitzen, in dichte Nebelschwaden gehüllt. Inzwischen war es heller geworden, aber es herrschte noch lange kein Tageslicht. Dicht über der Wasseroberfläche war die Sicht jetzt besser, wurde aber immer noch durch ziehende Nebel behindert. Über ihnen jedoch war der Dunst eher noch dichter geworden. Seine Farbe war bläulich, nach Osten sah man einen orangefarbenen Schimmer.
    Clellendol blickte über das Wasser. Das Lautgemisch hatte sich weiter

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