Stunde der Vergeltung (German Edition)
überrascht, dass der Mann seinen Namen richtig ausgesprochen hatte. Jah-nosch. Sie kehrten zum Aufzug zurück und fuhren in den nächsthöheren Stock, wo offenbar die privaten Speiseräume untergebracht waren. Mit einem Kartenschlüssel öffneten sie eine der Türen. In dem kleinen, vertäfelten Vorraum befand sich ein Garderobenschrank. Der Bodyguard ließ Val nicht aus den Augen, während er seinen Mantel aufhängte.
»Miss Steele wird sich mit niemandem treffen, der eine Waffe bei sich führt«, teilte McCloud ihm mit.
Val ließ sich das einen Moment durch den Kopf gehen. »Das ist ziemlich ironisch«, bemerkte er.
Der Gesichtsausdruck des Mannes änderte sich nicht. Er wartete.
»Wird sie dieselben Regeln befolgen?«, fragte Val.
Die beiden sahen sich an, dann zuckten sie unisono die Achseln. »Das geht uns nichts an«, antwortete Ward. »Fragen Sie sie selbst. Dann erfahren Sie die Antwort.«
»Sie können jederzeit gehen, wenn Ihnen die Sache nicht behagt«, schlug McCloud vor.
Val ging in die Hocke und zog das Messer aus dem Futteral an seinem Knöchel. Gut, dass er auf seine Pistole verzichtet hatte, da er ein solches Accessoire als untypisch für einen reichen Geschäftsmann erachten würde. Ein Messer hingegen könnte jeder Ausländer in einer fremden Stadt als Vorsichtsmaßnahme bei sich führen. Ohne das Messer fühlte Val sich nackt. Doch nach Jahren intensiven Trainings in den unterschiedlichsten Kampfsportarten waren seine Hände und Füße selbst Waffen.
McCloud nahm ihm das Messer ab. Ward trat auf ihn zu und gab ihm ein Zeichen, die Arme zu heben. »Verzeihung«, sagte er ohne einen Anflug von Bedauern in der Stimme.
Val ließ eine sorgfältige Leibesvisitation über sich ergehen. »Arbeiten Sie beide für den Club oder für Miss Steele persönlich?«
»Wir machen nur unseren Job«, erwiderte Ward. »Und über den sprechen wir nicht.«
Verständlich. McCloud öffnete die Tür zu dem angrenzenden Zimmer und bat Val mit einem Handzeichen einzutreten. Der Raum war groß und kerzenbeleuchtet, mit einem Tisch vor einem Panoramafenster, das einen spektakulären Ausblick auf die abendliche Skyline und die unendliche Weite von Elliot Bay bot.
»Warten Sie hier«, wies McCloud ihn an. »Miss Steele wird zu Ihnen stoßen, sobald sie bereit ist.«
Die Tür fiel klackend ins Schloss. Val sah sich in dem geschmackvoll gestalteten Zimmer um. Auf der einen Seite prunkte ein langer Konferenztisch, um den sich Stühle gruppierten. An der gegenüberliegenden Wand entdeckte er eine großzügig bestückte Bar mit einer Flasche Champagner in einem Eiskübel, einer Obstschale, einer Wasserkaraffe aus Kristall und verschiedenen Gläsern. Der beigefarbene Hanfteppich bestach durch ein subtiles, kompliziertes Muster und verströmte einen süßen, erdigen Duft. In einer Nische standen sich an einem Esstisch einladende niedrige Stühle gegenüber. Es schien eher der passende Ort für ein romantisches Rendezvous zu sein als für ein Geschäftsmeeting.
Die Wahl dieses Treffpunkts verwunderte ihn. Wahrscheinlich war das Hauptargument die Zurückgezogenheit, die kontrollierte Atmosphäre. Ein Kommen und Gehen war leicht zu überprüfen.
Val fragte sich, ob er beobachtet wurde, dabei widerstand er dem Drang, sich nach Überwachungskameras umzusehen. Wenn diese Leute so professionell waren, wie sie wirkten, würde er sie nicht finden und gleichzeitig zu viel über sich selbst preisgeben, indem er danach Ausschau hielt. Val Janos, der erfolgsverwöhnte römische uomo d’affare, war nicht paranoid. Es gab keinen Grund, warum er es sich nicht mit einem Drink bequem machen und die Aussicht genießen sollte.
Also tat Val genau das, allerdings wippte er dabei mit dem Fuß, um die fahrige Ungeduld eines reichen Mannes, der es nicht gewöhnt war, warten gelassen zu werden, zum Ausdruck zu bringen. Es war nicht gut, übermäßig beherrscht zu wirken, denn auch das wäre unpassend.
Val starrte hinaus auf die Lichter der Stadt, während er weitere Informationen auf seiner Matrix abspeicherte. Er beobachtete, wie sie aktiv wurde und zu rotieren begann, als er sein Gehirn darauf vorbereitete, weitere Daten aufzunehmen. Alles zu registrieren, nichts zu vergessen.
Die Tür ging auf. Der Vorraum dahinter war heller als das Zimmer, in dem er sich befand. Von hinten beleuchtet und das Gesicht im Schatten liegend, verharrte Steele im Durchgang, um den maximalen Effekt zu erzielen. Ihr schlanker Körper war in Schwarz gehüllt und
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