Stunde der Vergeltung (German Edition)
wirkte anmutig wie der eines Panthers. Sie trug einen großen Lederkoffer bei sich. Val hatte sie gebeten, eine reichhaltige Auswahl an Entwürfen mitzubringen.
Als sie eintrat, erhob er sich. Sie begrüßte ihn mit einem knappen Nicken, deponierte den Koffer auf dem Konferenztisch und kam mit diesem leichtfüßigen, katzenhaften Gang, der ihn auf den Videoaufnahmen so sehr fasziniert hatte, durch das Zimmer auf ihn zu.
Tamara sah ihm unverwandt ins Gesicht. Unter ihrem direkten, unerschrockenen Blick sprühte die Matrix in seinem Kopf Funken und zerfloss zu einer mickrigen Pfütze.
Val behielt sein ausdrucksloses Lächeln bei, während er sich sammelte. Er war auf den körperlichen Effekt, den sie auf seine Sinne ausübte, nicht vorbereitet gewesen. Auf ihre pure, gewaltige, elektrifizierende Kraft. Er konnte kaum atmen und bebte vor Aufregung.
Ihre Aufmachung war so schlicht wie elegant: eine edle schwarze Hose, hochhackige schwarze Stiefel und eine maßgeschneiderte schwarze Seidenbluse, die das strahlende Spektrum an Halsketten, Anhängern und Ohrringen perfekt zur Geltung brachte. Ihre Finger zierten mehrere Ringe, an ihren Handgelenken prangten Armreife. Ihr Haar war mit Gel glatt nach hinten frisiert und zu einem komplizierten Knoten aufgesteckt, in dem messerscharfe perlenbesetzte und mit Obsidian verzierte silberne Stäbe steckten. Der Look war streng und aufregend zugleich.
Ihr Blick blieb fest. Vals Herzschlag beschleunigte sich. Sein Schwanz erwachte zum Leben.
Nein , ermahnte er sich. Der hatte hier kein Mitspracherecht. Geh auf Abstand . Drei Schritte zurück. Verführung ja, aber kontrolliert.
Steeles Gesicht war bildschön und einzigartig. Ihre Knochenstruktur war graziös, jedes Detail nahezu perfekt. Ihre Lippen waren voll und sinnlich, dabei so anmutig geformt, wie es aufgeplusterte Silikonlippen niemals sein konnten. Ihre hohen Wangenknochen fanden ihr Echo im feinen Schwung ihrer Brauen. Ihre durchdringenden Augen waren groß und leicht schräg, ihre Wimpern lang und gebogen.
Grünbraun. Nicht die Originalfarbe. Sein Verlangen, ihre wahre Farbe zu kennen, überraschte ihn. Sie trug kein Make-up auf ihrer feinporigen, makellosen Haut und brauchte auch keins. Sie kam mit einem Hauch farblosem Lipgloss aus.
»Mr Janos.« Auch sie kannte die richtige Aussprache seines Namens. Ihre Stimme war tief und heiser, dabei aber durch und durch weiblich, durchdrungen von satten Farben und Gewürzen, mit süßen, rauchigen Zwischentönen. Wie eine kühne Liebkosung strich sie über seine Lenden.
»Miss Steele.« Er reichte ihr die Hand. Sie zögerte gerade lange genug, dass er überlegte, ob er sie lieber zurückziehen sollte, doch der Instinkt riet ihm zur Beharrlichkeit.
Schließlich ergriff Tamara sie. Ihre Haut war weich und glatt. Das kalte, strukturierte, harte Metall ihres Schmucks bildete dazu einen scharfen Kontrast. Der Körperkontakt sandte eine elektrische Schockwelle durch Vals Arm, sie schoss durch seine Nervenbahnen, löste helle Blitze und Glockengeläut in ihm aus.
Tamara fühlte es auch. Er bemerkte ihre plötzliche Reglosigkeit und wie ihr Lächeln einfror. Widerwillig gab er ihre Hand frei. Die Stille zwischen ihnen wurde plötzlich zu lang und unbehaglich. Bedeutungsschwanger.
»Würden Sie es vorziehen, unsere Unterredung in Ihrer Muttersprache zu führen, Signor Janos?«, fragte sie in einwandfreiem Italienisch. »Wenn Ihnen das lieber ist, bin ich gern dazu bereit. Für mich macht es keinen Unterschied.«
Interessant, dass sie ihn die Sprache wählen ließ. Er spürte, wie sich ihre Haltung auf eine Art veränderte, die wenig amerikanisch war, sondern sehr zivilisiert, sehr europäisch, und die mehr verbarg, als sie je enthüllen würde.
»Das Angebot ist verlockend«, erwiderte er in derselben Sprache. »Italienisch klingt wunderschön aus Ihrem Mund. Für gewöhnlich ziehe ich Englisch für geschäftliche Besprechungen vor. Ich mag die Klarheit. Aber vielleicht später, zum Vergnügen … ?« Er ließ seine Stimme vielsagend verklingen, legte ein Funkeln unterschwelligen Verlangens in seinen Blick.
»Dann Englisch«, sagte sie knapp. »Wie ich sehe, haben Sie es sich bereits bequem gemacht.« Ihre Augen zuckten zu seinem Whiskeyglas.
Er nahm die leise Rüge mit einem reumütigen Lächeln hin. »Kann ich Ihnen einen Drink einschenken?«, fragte er. »Ich habe mich für den Macallan entschieden.«
»Dann sind Sie ein Kenner. Der Macallan zählt auch zu meinen Favoriten.
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