Stunde der Wahrheit
begeisterten Applaus, Emma dagegen hätte sich am liebsten übergeben. Sie wusste nicht, wie viel Geld James besaß, konnte sich aber nicht vorstellen, dass irgendetwas von seiner gespielten Lässigkeit echt war. Sie mochte sich nicht einmal vorstellen, wie er sich angesichts dieses Verlusts fühlen musste. Und dann war da noch die Sache mit Ryan, den Liam in ihre Firma geschleust hatte, um sie im Auge zu behalten und auszuspionieren. Die Vorstellung, dass er die ganze Zeit über sie und James Bescheid gewusst hatte und alles nur gespielt gewesen war, machte sie krank. Das Schlimmste war aber, dass sie Ryan geküsst hatte und er es James auch noch auf die Nase binden musste. Als ob James nicht schon Grund genug hatte, wütend auf sie zu sein! Emma versuchte die schlechten Gedanken beiseite zu schieben und sich auf ihre Zukunft zu konzentrieren. Denn so verwirrend und unglaublich das Ganze auch sein mochte, so hatte es absolut keinen Sinn mehr, sich über Liam oder Ryan zu ärgern. Sie waren Geschichte, gehörten zu einem abgeschlossenen Kapitel ihres Lebens und nur James zählte jetzt für sie. Kaum hatte Liam bekommen, was er wollte, verschwand er genauso schnell, wie er aufgetaucht war und seine Männer mit ihm.
»Ist es vorbei?«, fragte Emma, als James von der Bühne kam und inständig hoffte, Liam und seine Männer nie wieder sehen zu müssen.
»Ja, es ist vorbei«, bestätigte er. Emma fiel ein Stein vom Herzen und sie atmete erleichtert aus. Als sie James allerdings umarmen wollte, wich er ihr in einer geschickten Bewegung aus.
»Was ist?«, fragte sie, wie vor den Kopf gestoßen.
»Ich brauch jetzt einen Scotch«, antwortete er und deutete zur Bar. »Gut, ich auch«, sagte sie und versuchte in seinem Gesicht abzulesen, doch es war wieder so schrecklich ausdruckslos. Als sie Anstalten machte, mit ihm zu gehen, winkte er ab.
»Du würdest dich nur langweilen. Mach es dir doch vor der Bühne bequem und genieße die Band. Ich habe eh noch Geschäftliches zu klären«, sagte er ausweichend und lief ohne eine Antwort abzuwarten davon. Emma konnte ihm nur dumm hinterherstarren. Was war nur sein Problem? Sie hatte gehofft, dass er wieder normal sein würde, wenn Liam erst einmal abgezogen war, doch jetzt war er ja noch abweisender! Da Emma ihm nicht hinterherlaufen und ihm lieber seinen Freiraum lassen wollte, nahm sie also an der Bühne Platz und lauschte der Band, die nach seiner Rede ins Rampenlicht getreten war. Doch sie hörte nur mit halbem Ohr mit, denn ihre Gedanken kreisten einzig und allein um sein sonderbares Verhalten. Hatte er immer noch Selbstzweifel? Vertraute er Liam vielleicht doch nicht und fürchtete sein Wiederkommen? War es wegen ihr, hatte sie etwas falsch gemacht? Oder war er sauer, weil sie ihn so viel Geld gekostet hatte? Voller Unbehagen fiel ihr ein, dass sie sich noch gar nicht bei ihm bedankt hatte. Oder ging es hier vielleicht sogar um Ryan? Ihr war sein kalter Blick nicht entgangen, als Ryan von ihrem Kuss gesprochen hatte, vielleicht war er deswegen so abweisend. Kaum war ihr der Gedanke gekommen, war Emma geradewegs dabei, eine Panikattacke zu erleiden. Was, wenn er nach alledem nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte? Was, wenn er das Geld bezahlt hatte, damit sie in Sicherheit war, sich nun aber von ihr losseilen wollte? James kam nach einer gefühlten Ewigkeit wieder.
»Komm, ich bring dich nach Hause«, sagte er und reichte ihr den Mantel. Dabei mied er ihren Blick, was ihr natürlich nicht entging. Es war wegen Ryan. Da war sie sich nun sicher.
»Zu mir? Aber meine Wohnung ist aufgebrochen«, sagte sie, als sie in ihren Mantel schlüpfte. Jetzt war es ihm auch schon egal, dass sie in einer ungesicherten Wohnung schlief? Das wurde ja immer besser!
»Ich habe heute Morgen jemanden beauftragt, dir ein neues Schloss einzubauen«, erklärte er.
»Wie soll das gehen, wenn du meinen Schlüssel nicht hast?«, hakte sie verwundert nach.
»Ab sofort hast du ein Zahlenschloss und ein mehr als sicheres Alarmsystem.« Und wieder hatte er Kosten für sie übernommen, dachte Emma seufzend. Es war so schon schwer genug, ihm in die Augen zu sehen und sich nicht einzubilden, dass er jeden Cent bereute, den er für sie geblecht hatte. Da machte ihr seine neue Investition nur ein noch schlechteres Gewissen. Er nannte ihr den fünfstelligen Pin und ließ sie ihn in ihr Handy einspeichern. Dann führte er sie aus dem Saal und mit jedem Schritt schnürte sich ihr Hals enger zusammen. War es
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