Stunde der Wahrheit
Rachel endlich auf.
»Ich glaube, ich muss mich übergeben«, nuschelte sie und versuchte vom Sofa aufzustehen. Emma half ihr dabei, als James aufsprang und sie ihr abnahm.
»Ich mach das schon«, sagte er und brachte Rachel in die zweite Etage, ins Bad. Ob er dabei an ihr Wohlbefinden oder sein teures Sofa dachte, sei einmal dahingestellt. Auf jeden Fall war sie ihm dankbar für die Hilfe. Emma folgte ihnen und sah ihrer Freundin besorgt hinterher. Dann stieß James die Badtür auf und schaffte es geradeso, ihren Kopf über die Toilettenschüssel zu beugen, als sie sich auch schon übergab.
»Ich mach das schon«, sagte Emma und schob ihn vorsichtig beiseite. Rachel würde bestimmt nicht wollen, dass sich ausgerechnet James um sie kümmerte.
»Wenn sie irgendwas braucht, ich bin unten«, sagte er. Emma nickte, doch da war er schon verschwunden.
»Sag mir bitte, dass wir bei dir zu Hause sind«, sagte Rachel mit schwacher Stimme. Emma seufzte.
»Wir sind bei James.«
»Oh Gott«, stöhnte sie und beugte sich wieder über die Schüssel.
»Bitte bring mich um.«
Nachdem Rachel alles rausgelassen hatte, machte Emma das Fenster auf und sorgte für frische Luft. Dann nahm sie Zahnpasta aus dem Badschrank und reichte sie ihr. Als sie merkte, wie selbstverständlich es noch für sie war, sich in seinem Bad zu bedienen, stockte sie. Hätte sie James vorher fragen sollen? Andererseits war es sicher auch in seinem Interesse, dass Rachel einen frischen Atem hatte. Während Emma die Toilette säuberte, legte Rachel ihren Kopf auf den weichen Teppichboden und schloss die Augen. Als Emma fertig war und sich zu ihr umdrehte, war sie eingeschlafen. Emma schloss einen Moment die Augen, dann schlich sie die Treppe hinunter. James saß auf dem Sofa und schaute fern. Das Whiskeyglas hing lustlos in seiner Hand und baumelte neben der Sofalehne. Wenn er nicht aufpasste, würde er das Getränk noch auf dem teuren Stoff verschütten.
Was interessiert mich das überhaupt? Von mir aus soll sein ganzes Haus abfackeln!
, schalt sie sich in Gedanken. Als sie neben dem Fernseher stehenblieb, blickte er auf. Er wirkte müde, seine Augen schlugen dunkle Schatten und er machte den Eindruck, als wäre er sehr in den Film vertieft gewesen. Vielleicht war er aber auch nur kurz vor dem Einschlafen.
»Sie schläft«, sagte Emma und klang, als wäre es seine Schuld.
»Soll ich sie runterholen?«, fragte er und stellte sein Glas ab. Doch Emma schüttelte den Kopf.
»Wenn wir sie jetzt aufwecken, wird sie sich höchstwahrscheinlich wieder übergeben. Das tut sie immer. Lassen wir sie schlafen. Aber ich könnte eine Decke und ein Kissen gebrauchen.« Er nickte und stand auf, um das Bettzeug zu holen. Einen Augenblick später reichte er es ihr und setzte sich wieder vor den Fernseher. Emma bedankte sich und lief nach oben, um Rachel ordentlich einzubetten. Als sie Minuten später die Treppe runterkam, maß er sie mit einem unergründlichen Blick. Da er ihr aber unangenehm war und sie es vermeiden wollte, ihm länger als nötig in die Augen zu sehen, setzte sie sich kurzerhand neben ihn. Wie konnte er nur so ruhig dasitzen und ihr in die Augen schauen? Hatte er vergessen, was er ihr an den Kopf geworfen hatte? Was er ihr angetan hatte? Sie setzte sich so weit weg, wie es das Sofa zuließ und war froh, dass es so riesig war. Doch sie hätte sich keine Mühe machen brauchen, denn kaum hatte sie sich hingesetzt, erhob er sich auch schon.
»Also, ich geh dann schlafen. Wenn irgendetwas ist, ich bin in meinem Zimmer.« Sie nickte, wandte den Blick aber nicht vom Fernseher ab. Und als James endlich in seinem Zimmer verschwand, war es, als wäre ein ungeheurer Druck von ihr genommen. Sie atmete erleichtert auf und betete, dass die Nacht schnell vorüber sein würde. Dann kuschelte sie sich tiefer in ihren flauschigen Pullover ein und schloss die Augen.
Kapitel 4
Etwas brannte unangenehm auf ihrer Wange und riss sie Stück für Stück aus dem Schlaf. In ihrem Traum war sie nachts in James Zimmer gegangen und hatte ihm jegliche Gemeinheiten an den Kopf geworfen, die ihr eingefallen waren. Es war ein befriedigender Traum gewesen, vor allem, weil sie ihn nach seiner gestrigen Wohltat nie so dermaßen mehr hätte beschimpfen können. Gut, am Ende war sie in seinem Bett gelandet und hatte wilden Sex gehabt - befriedigend also auf mehreren Ebenen. Doch zum Glück war es nur ein Traum gewesen, weswegen sie sich nicht einmal dafür schämen musste. Manchmal
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