Sturm auf mein Herz
begannen, dem Polizeiwagen den Berg hinunter zu folgen, weg vom herannahenden Feuer.
Kein Feuerwehrwagen kam mit heulender Sirene angerumpelt. Trotz des Evakuierungsbefehls wurden sie woanders dringender gebraucht.
»Ich gehe noch nicht«, sagte sich Shelley trotzig. »Das ist mein Haus! Wenn ich jetzt gehe und Glutasche landet auf dem Dach, ist keiner zum Löschen da.«
Voller Sorge musterte sie den Himmel. Im Südwesten, jenseits der Schlucht hinter ihrem Haus, war das zuvor blaue Firmament grau geworden. Die Luft über ihr wurde zunehmend von Rauch erfüllt und von Minute zu Minute dunkler. Asche regnete herunter. Mit ihr kamen winzige Glutstücke.
»Erst wenn ich alle Dächer durchnässt habe, gehe ich. Aber nicht früher.«
Ein Teil von Shelley fand diese Entscheidung durchaus vernünftig.
Ein Teil von ihr war entsetzt.
Der Wind kam nun direkt von Osten, und zwar so kräftig, dass sie taumelte.
Grimmig kletterte sie auf das nächsthöhere Dach. Dort, wo die Sprenkler hingekommen waren, waren die Schindeln glitschig. Wo nicht, waren sie knochentrocken. Sie zerrte den Sprenkler an eine andere Stelle. Kühles Wasser rann glänzend über das Dach.
Der Wind drehte leicht, blies jetzt wieder mehr nach Norden.
»Gott sei Dank«, sagte sie. »Jetzt habe ich eine Verschnaufpause. Wahrscheinlich muss ich gar nicht weg.«
Während der nächsten zwanzig Minuten pustete der Wind weniger stark. Sie kletterte von Dach zu Dach und versuchte so viel Fläche wie möglich zu wässern. Sobald eine Stelle halbwegs nass war, zerrte sie den Sprenkler weiter.
Sie hörte die Sierra Duces nicht länger, die nach wie vor ihre halsbrecherischen Flüge in die Flammenhölle unternahmen. Sie bemerkte die handtellergroßen Ascheflocken nicht, die, halbwegs abgekühlt von ihrem Flug aus zirka tausend Meter Höhe, auf sie herniederregneten. Sie hörte und sah nur das, was sie tat, drei trockene Dächer und drei Sprenkler, um sie zu wässern.
Vierzig Minuten später stand Shelley auf dem mittleren Dach und blickte gen Südwesten. Der einst klare blaue Himmel hatte sich schiefergrau überzogen.
Mit heftig pochendem Herzen erklomm sie das oberste Dach, das, von dem sie die Straße überblickte, wo das Feuer von Nord und Ost heranstürmte. Jedes Mal wenn sie von einem Dach zum anderen geklettert war, hatte sie sich geschworen, dass es das letzte Mal war, dass sie danach in den Wagen steigen und vom Berg herunterfahren würde.
Ich bin nicht töricht. Es ist noch genug Zeit zum Gehen.
Selbst wenn die Flammen die Brandschneisen bereits übersprungen hatten und nur mehr eine Hügelkette von ihr entfernt waren, hätte sie noch Zeit, denn Feuer brannte bergab nur langsam. Und wenn das nicht genügte, gab es am Canyonboden noch eine breite Brandschneise.
Ich kann die Sprenkler noch einmal verstellen. Es ist noch genug Zeit, die Dächer ordentlich nass zu machen und mein Haus zu retten.
Das hämmerte sie sich ständig ein, blickte aber dennoch auf ihre Armbanduhr. Plötzlich verknotete sich ihr Magen. Der Wind kam schon seit zwanzig Minuten aus Osten. Das Feuer raste also direkt auf sie zu.
Heftig hustend, denn dicker Qualm lag nun in der Luft, kraxelte sie hinauf zum Dachfirst. Als sie nach dem Sprenkler griff, blickte sie zum ersten Mal seit dreißig Minuten auf.
Grauen packte sie.
Das höllische Glühen des Feuers war überall. Sechs Meter, ja zehn Meter hoch und höher schossen die Flammen in die Höhe, loderten in wilder, tödlicher Schönheit über das trockene Land.
Ein lautes, unheimliches Knistern erfüllte die Luft, als würde das gesamte Universum brennen.
Regungslos, flach atmend, stand Shelley da und lauschte dem Brausen des herannahenden Feuers, das sich durch den Chaparral auf ihre kleine Siedlung zufraß.
Der Wind heulte jaulend auf.
Das Feuer antwortete mit einer Flammenexplosion. Es verschlang die Luft, den Himmel, das Buschwerk, alles außer dem nackten, felsigen Grund.
Noch bevor die ersten glühenden Kohlebrocken auf sie herabregneten und sie schmerzhaft trafen, wusste Shelley, wie dumm sie gewesen war zu bleiben. Das Feuer hatte an den Abhängen nicht innegehalten und war an den Brandschneisen nicht in sich zusammengefallen. Die Flammen hatten den gesamten Canyon übersprungen, ungezügelte Flammen auf dem Rücken des tosenden Windes, knochentrockenes Buschwerk, das explodierte, ein Feuersturm, den weder Sprenkler noch Gebete aufhalten konnten.
Einzelne Brandherde loderten auf beiden Seiten der schmalen
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