Sturm der Barbaren
die Wange. Sie rückt ein wenig von ihm ab, bevor sie ihm ins Ohr flüstert: »Alyiakal muss einer deiner Vorfahren gewesen sein.«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Wie könntest du auch?« Sie lacht und rollt sich zur Seite. »Du sagtest, du wärst zum Abendessen bei Myryan und Ciesrt eingeladen. Es ist schon spät und ich bin nicht eingeladen. Ich habe Hunger und du musst gehen.« Sie lächelt ihn schelmisch an. »Soll ich dich wieder mit etwas Duftöl betupfen?«
»Ich möchte nicht weg von dir.« Er legt den Kopf zur Seite, um ihre blauen Augen zu betrachten. »Das mit dem Duftöl ist keine schlechte Idee. Ciesrt wird es sofort seinem Vater erzählen.«
»Raffiniert …«
Lorn schüttelt hastig den Kopf, als er die Kälte eines Spähglases fühlt. Er zieht sie an sich; es soll leidenschaftlich wirken.
Sie schlingt die Arme um ihn, wenn schon nicht leidenschaftlich, dann doch liebevoll, und so halten sie einander eine Zeit lang fest – bis die Kälte langsam wieder verschwindet. Lorn küsst Ryalth auf die Wange und lehnt sich zurück. »Danke für dein Verständnis.«
»Ich habe es fast selbst gespürt … jemand hat uns beobachtet.«
»Das stimmt … durch ein Glas.«
Ryalth schaudert. »Leben alle Magi’i so? Mit dem Wissen, dass sie keine Privatsphäre haben können? Keine Geheimnisse?«
»Die wenigsten können es fühlen, und wenn, dann nur schwach. Sogar mein Vater muss sich sehr konzentrieren.«
»Aber du fühlst es? Und dann wollten sie dich nicht als Magier haben?«
»Es gehört mehr dazu, ein Magi’i zu sein, als nur diese Fähigkeit«, erklärt Lorn nüchtern. »Es muss das Wichtigste in deinem Leben sein. Vater hat das schon mehrmals andeutungsweise wiederholt, seit ich zurück bin.«
Mit einer geschmeidigen Bewegung schält sich Ryalth aus Lorns Umarmung, schlüpft aus dem Bett und geht zum niedrigen Frisiertisch unter dem hohen Nordfenster. Dort öffnet sie eine Schublade und holt ein Fläschchen heraus. »Wenn das so ist, brauchst du ganz dringend einen Duft.« Sie verzieht das Gesicht zu einem Lächeln, von dem Lorn weiß, dass es erzwungen ist.
»Ich habe gar keine Lust zu gehen.« Lorn springt auf die Füße und stellt sich hinter sie, die Arme schlingt er um ihre Taille.
»Ich weiß.«
Lorn fühlt einen stummen Seufzer.
Nur wenig später fügt Ryalth hinzu: »Ich weiß, dass du dich gegen deine Familie stellst, und ich weiß auch, was es bedeutet, dass du mich gebeten hast … nach Geliendra zu kommen.«
»Aber du willst, dass wir alles öffentlich machen.«
»Ja.«
Er lacht, zärtlich, aber gleichzeitig auch ein wenig bitter. »Alle wichtigen Magi’i wissen von dir und mir. Ist das öffentlich genug?« Im Schlafgemach bleibt es still und so fügt er noch zärtlicher hinzu: »Ich werde unsere Vermählung öffentlich verkünden. Habe ich mein Wort bisher nicht immer gehalten?«
»Doch, das hast du. Mehr als das.« Ryalth windet sich aus seinen Armen, um ihn anzusehen, seine linke Hand lässt sie dabei nicht los. »Wir wären nicht hier, hättest du das nicht getan.«
Lorn berührt ihr Kinn.
»Ich bin nicht wütend auf dich.« Der Ausdruck in ihren Augen verhärtet sich. »Auf deine Eltern schon. Und auch auf die Magi’i.« Sie streichelt seine Wange, dann lehnt sie sich wieder nach vorne und flüstert: »Ich werde in einem Jahr nach Geliendra kommen.«
»Und ich werde dort auf dich warten, alles wird vorbereitet sein.«
»Gut.« Ein Lächeln, strahlend und gleichzeitig wehmütig, schleicht sich in ihr Gesicht. »Du solltest dich jetzt besser anziehen.« Sie dreht sich um und nimmt das Flächchen wieder in die Hand. »Und du bekommst noch etwas von dem Duft verpasst. Aber diesmal nicht so viel. Ich möchte, dass sie wissen, dass auch ich ein wenig Geschmack habe.« Sie tupft einige Spritzer von dem Duft auf Lorns Wangen, dann nimmt sie sein Gesicht in die Hände und küsst ihn zärtlich.
Er erwidert den Kuss genauso liebevoll.
Langsam lösen sie sich voneinander.
Lorn nimmt seine Tunika vom Wandhaken und zieht sie an.
»Du bist ein schöner Mann.«
Er schüttelt den Kopf.
»Doch, das bist du.«
»Es freut mich, dass du so denkst. Sehr sogar.«
Sie gehen zur Wohnungstür, wo er sich noch einmal umdreht, um sie auf die Wange zu küssen.
»Sei nett zu dem guten Ciesrt«, gibt Ryalth ihm noch mit auf den Weg, als sie die Tür öffnet.
»Nur Myryan zuliebe.« Lorn lächelt sie an und geht hinaus.
Ryalth schließt die Tür, während Lorn langsam die Treppe
Weitere Kostenlose Bücher