Sturm der Barbaren
bevor er sich bewegt.
»Händler, Ser …« Lorn duckt sich, geht fast in gebückter Haltung auf Shevelt zu. »Händler, Ser … wartet. Bitte, so wartet doch.«
Shevelt dreht sich um, seine Gesichtszüge wirken verzerrt.
Lorn tritt zurück, aber nur einen Schritt. »Ser … ein guter Buchhalter, das bin ich. Gut für alle Arten von Waren und Geschäften …«
»Gut? Betteln auf der Straße? Du ekelst mich an, Bursche.«
»Ich bin besser als alle anderen …«, jammert Lorn und tritt noch einen Schritt zurück. »Ich kann es Euch zeigen …«
Der große Händler springt plötzlich nach vorn und packt den viel kleineren Buchhalter an den Schultern. »Wer glaubst du eigentlich, wer du bist? Wenn ich einen Buchhalter brauche … dann stelle ich einen ein. Aber der muss schon zu mir ins Handelshaus kommen.« Shevelt schüttelt den kleineren Lorn, aber der jüngere Mann kann sich befreien und krümmt sich, als hätte er Schmerzen.
»Abschaum …«, murmelt Shevelt. »Wertloses Gesindel … fort mit dir.«
»Genau wie du.«
Die Kälte in Lorns Worten, die in so krassem Gegensatz zu der unterwürfigen Person steht, die er noch einen Augenblick zuvor gespielt hat, lässt den Riesen für eine Sekunde erstarren. Genug Zeit für Lorn, um den Chaosverstärkten Säbel in Shevelts Hals zu stoßen.
Der Händler reißt nur den Mund auf, er kann nicht einmal mehr blinzeln oder auch nur ein einziges Wort hervorstoßen, als das glänzende Cupridium und funkelnde Chaos ihm den Hals durchschneiden. Kopf und Oberkörper fallen zu Boden, zwei dumpfe Schläge auf den weißen Steinen ersticken in der kalten Abendluft, Blut verteilt sich um den noch zuckenden Rumpf.
Lorn holt flink die goldene Scheide mitsamt dem Dolch heraus und rammt ihn dem toten Mann in den Rücken, ohne den Körper umzudrehen. Er bestreut die Dolchscheide mit Chaos und legt sie neben den Kopf. Dann läuft er schnell fort, vorbei an den verlassenen Lagerhäusern. Irgendwo im Dunkeln bleibt er schließlich stehen, um den Säbel zu säubern und wieder einzustecken. Das Tuch, das er zum Reinigen verwendet hat, verbrennt in einem Chaos-Feuerstrahl und Lorn geht nun langsamer weiter zum Zweiten Hafenweg.
Gut zweihundert Ellen hat Lorn schon zurückgelegt, als er zwei entgegenkommenden Spiegellanzenkämpfern zunickt. Dann wandert er weiter den Hügel hinunter, vorbei an drei Häuserblöcken, bevor er sich nach Osten wendet und in die Straße des Lauteren Handels einbiegt.
Die Sterne blinken hell am Himmel und jeglicher Dämmerungsschimmer ist vom westlichen Himmel verschwunden, als er schließlich bei Ryalths Wohnung ankommt.
Sie muss ihn gehört oder gespürt haben, denn sie öffnet ohne Aufforderung die Tür. Kurz runzelt sie die Stirn. »Ich habe gehofft, du würdest früher kommen.«
Lorn lächelt trocken. »Meine Eltern wollten noch mit mir reden, und dann wurde ich von einem widerwärtigen Händler aufgehalten, der nicht mit einem Buchhalter auf dem gleichen Gehweg gehen wollte. Mit ihm fertig zu werden dauerte eine Weile.«
»Du erledigst immer alles in aller Stille.« Nachdem sie die Tür geschlossen hat, geht sie zum Tisch.
»Wenn ich kann.« Er lächelt leicht gequält und folgt ihr. »Ich kann mich erinnern, dass ich einige Male nicht so still war und auch die Ergebnisse waren dementsprechend laut.«
Sie lächelt, ein Ausdruck, der Humor, Erinnerung und Wehmut ausdrückt. »An eine Gelegenheit kann ich mich erinnern. Irgendwann musst du mir auch von den anderen erzählen.«
Lorn zuckt beinahe verlegen die Schultern. »Ich habe einem Mitschüler einmal einen Finger gebrochen, das war bei einer Prügelei …«
»Was?«
»Bei einer Rauferei beim Spiel – Korfal. Der Betroffene ahnte zwar, wer es war, konnte aber nichts beweisen.« Lorn lacht. »Vor ein paar Tagen war er bei uns zu Hause zu Besuch, um Jerial zu umgarnen. Er ist Sub-Major bei den Lanzenkämpfern und hat unterschwellig anklingen lassen, dass meine Schwester nicht mehr über ihm steht, oder zumindest dann nicht mehr, wenn Vater gestorben ist.«
Ryalth schüttelt den Kopf. »Irgendwie scheint die Vergangenheit uns einzuholen.«
»Hoffen wir nur, dass auch die guten Dinge zurückkommen.« Lorn macht eine kurze Pause. »Das bedeutet auch, dass er mich nicht so schnell im Grab liegen sehen möchte.«
»Aha … weil dein jüngerer Bruder ein Magier ist?«
»Genau.«
»Hast du schon gegessen?«
»Nein … seit heute Morgen nichts mehr, glaube ich. Am Nachmittag habe ich einige
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