Sturm der Herzen
Schulter. Sie war es langsam herzlich leid, so transportiert zu werden.
Er bewegte sich vorsichtig und lautlos, und Isabel hatte den Eindruck, dass er sich an etwas oder jemanden heranschlich. Er blieb stehen, dann hörte sie, wie eine Tür geöffnet wurde. Er betrat ein Gebäude. Mit raschen Schritten lief er zielstrebig in eine Richtung. Während sie so getragen wurde, hörte sie das Scharren von Hufen, die Bewegungen von Tieren, roch Heu, Hafer und Pferde. War sie in einem Stall? Er blieb stehen, öffnete eine weitere Tür, und im nächsten Augenblick wurde sie abgelegt - auf etwas, das weich mit Stroh gepolstert war.
Eine Stallbox? , fragte sie sich. Es war unüberhörbar, dass sie in irgendeinem Stall war; selbst wenn sie es nicht am Geruch bemerkt hätte, hätten das Schnauben und Scharren der Pferde es ihr verraten. Aber wo befand sie sich?
»Das hier war eigentlich nicht Teil unseres Planes«, erklärte ihr Entführer leise, »aber ich denke, Sie sind hier sicher.«
Er bewegte sich, und im nächsten Moment spürte sie, wie der Strick, der ihre Fußfesseln mit denen um ihre Handgelenke verband, durchtrennt wurde. Er tätschelte ihr die Wange und flüsterte: »Sie sind eine tapfere kleine Frau. Ich bin sicher, Sie werden sich befreien können.« Er lachte leise. »Irgendwann.«
Dann war er fort.
Als sie sich sicher war, dass er wirklich nicht mehr da war, begann Isabel sich zu winden, sie versuchte ihre Hände vor sich zu bekommen. Sie war beweglich und geschickt, aber es war nicht leicht, und die Röcke ihres Reitkostüms erleichterten ihr das Unterfangen nicht. Nach mehreren vergeblichen Versuchen hielt sie inne. Atemlos lag sie da und lauschte, sie fragte sich, wo sie war und was mit Marcus geschah.
Isabel und ihr Schicksal beschäftigten Marcus am meisten, während er sich darauf vorbereitete, ihren Entführer zu treffen.
Die Stelle, an der der Austausch stattfinden sollte, lag nicht weit entfernt, weniger als zwei Meilen von hier. Es handelte sich um ein allseits bekanntes Wahrzeichen der Landschaft, eine riesige Eiche, deren Stamm von einem Blitzschlag gespalten war, auf einer Lichtung am Weg nach Manning Court.
Obwohl er das Memorandum gefälscht hatte, hatte Marcus sich dennoch mehrere Pläne zurechtgelegt, wie er seine Frau in den verbleibenden Stunden dazwischen befreien konnte. Isabels sichere Heimkehr war sein Hauptziel, aber es passte ihm gar nicht, einfach so Whitleys Mantel weiterzugeben. Er konnte ja nicht wissen, ob Isabels Entführer ihr Wort halten würden und ob sie am Leben war oder nicht oder ob er in eine Falle ritt.
Die Idee, den anderen eine Falle zu stellen, war ihm gekommen, und mehr als einmal hatte er schon die Hand ausgestreckt, um sich ein Blatt Papier zu nehmen und Jack zu schreiben, um ihn um Hilfe zu bitten. Aber jedes Mal hielt ihn seine Angst um Isabel davon ab. Was, wenn er durch sein Handeln genau das herbeiführte, was er am meisten fürchtete: Isabels Tod?
Während der langen Stunden des Wartens versuchte er sich einen Weg einfallen zu lassen, wie er seine Frau unversehrt zurückerhalten und seinem Feind ein Schnippchen schlagen konnte. Aber schließlich hielt ihn die Sorge um sie zurück. Er durfte es nicht wagen, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Die Fälschung war riskant genug; ein weiteres Risiko würde er nicht eingehen.
Marcus starrte blicklos vor sich hin, seine Gedanken waren ein wirres Durcheinander. Seine Cousins Julian oder Charles hätten genau gewusst, wie man mit so einer Situation umging, davon war er überzeugt, sie hätten sofort einen kühnen Plan zur Hand gehabt. Er verfluchte sich dafür, dass er eine ruhige, ereignislose Existenz vorgezogen hatte. Wenn ich abenteuerlustiger gewesen wäre , hielt er sich vor, wäre ich jetzt in der Lage, Isabel in einem wagemutigen Handstreich zu befreien und ihre Entführer zu übertölpeln . Sein Blick fiel auf Whitleys Mantel vor sich, und eine Welle der Selbstverachtung durchfuhr ihn. Was tue ich hier? Statt mit gezücktem Schwert draufloszureiten, die Frau zu retten, die ich liebe, fälsche ich ein verfluchtes Memorandum!
Ein weiterer Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims verriet ihm, dass seine Zeit um war, dass er innerhalb der nächsten Minuten entweder seine Frau zurückbekäme oder … Wütend schüttelte er seinen Kopf, unfähig, den Gedanken zu Ende zu bringen. Hoffnungsvoll, verärgert und begierig, alles hinter sich zu bringen, erhob sich Marcus und nahm Whitleys Mantel. Er legte ihn sich über
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