Sturm der Herzen
bis du volljährig wirst oder heiratest, bin ich dein Vormund und Hüter deines Vermögens.«
»Nun gut, das werden wir ja sehen!«, höhnte sie, unfähig, sich zu beherrschen. »Dir würde es nur recht geschehen, wenn ich den erstbesten Mann heiratete, der mir über den Weg läuft, einzig dir zum Trotz.«
»Wenn du einen Mann finden kannst, der verrückt genug ist, sich eine scharfzüngige kleine Hexe wie dich aufzuhalsen, dann schüttele ich ihm die Hand und wünsche ihm von Herzen Glück«, entgegnete er aufgebracht, ehe er nachdenken konnte. Als die Worte seinen Mund verlassen hatten, wollte er sie am liebsten zurückholen, aber der Schaden war bereits angerichtet.
»Scharfzüngig? Wie kannst du es nur wagen!« Hastig wischte sie sich Tränen aus den Augen. »Das wird dir noch leidtun«, versprach sie ihm und lief zur Tür, die aus der Bibliothek führte. »Du wirst schon noch sehen. Es wird dir leidtun.«
Sie riss die Tür auf und rannte fort.
Schweigen senkte sich über den Raum wie ein Donnerschlag, und Marcus schaute verblüfft auf die offene Tür, durch die Isabel verschwunden war. Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihr nachzulaufen und ihr zu sagen, dass sie das blöde Pferd haben könne, und dem Entschluss, sie nicht sehen zu lassen, wie leicht sie ihn manipulieren konnte, stand er wie angewurzelt da.
Er holte tief Luft, schüttelte den Kopf. Isabel konnte leicht in die Luft gehen, aber manchmal, wie gerade jetzt, war der Umgang mit ihr wie der Versuch, mit einem Tornado zurande zu kommen. Sie rauschte heran ohne Vorwarnung, versengte alles, was ihr im Weg war, und dann - puff! - stürmte sie wieder fort, um irgendwo anders Unruhe zu stiften.
Während Marcus noch dastand und blindlings ins Nichts starrte, trat eine attraktive, hochgewachsene Frau in einem gestreiften taubengrauen Kleid, das mit schwarzer Litze besetzt war und einen eng geschnittenen Rock hatte, ins Zimmer. Ihr schwarzes, von Silber durchzogenes Haar war zu einem eleganten Knoten im Nacken aufgesteckt, und um ihren Hals trug sie eine Kette aus schwarzen Jettperlen.
Als sie den bestürzten und verblüfften Ausdruck auf seinem gutgeschnittenen Gesicht sah, lächelte sie. Mit belustigtem Verständnis fragte sie: »Isabel?«
Marcus lächelte flüchtig. »Wer sonst? Sie hat sich partout in den Kopf gesetzt, das Pferd zu kaufen, aber ich habe nicht das Gefühl, dass das klug wäre.« Er schüttelte den Kopf. »Trotzdem wollte ich ihr gerade sagen, dass sie es meinetwegen haben könnte, als sie mich heruntergeputzt hat, dass ich das so bald nicht vergessen werde, ehe sie aus dem Raum gestürmt ist.« Er schaute seine Mutter hilflos an. »Was soll ich nur mit ihr tun? Ich weiß nicht, wie man sich als Vormund für jemanden wie Isabel verhalten soll.«
Mrs Sherbrook nahm auf einem Sofa vor dem Kamin aus schwarzem Marmor Platz und arrangierte ihre Röcke, dann sagte sie: »Gib ihr etwas Zeit, bis ihre Wut verraucht ist. Dann, da bin ich sicher, wird sie, wenn du mit ihr sprichst, mit sich reden lassen, und ihr könnt euch versöhnen. Du kennst doch Isabels Wutanfälle und weißt, dass sie nie lange dauern. Später ist sie immer zerknirscht.«
Marcus wirkte nicht überzeugt. »Ich weiß nicht. Sie war sehr zornig.«
»Das mag sein, aber da sie ein liebes Kind …« Bei dem ungläubigen Schnauben ihres Sohnes verbesserte sie sich: »… meist ein liebes Kind ist, wirst du nächstes Mal, wenn du sie siehst, feststellen, dass es nicht mehr als ein Sturm im Wasserglas war, sodass du den ganzen Vorfall getrost vergessen kannst.«
Wenn Mrs Sherbrook gewusst hätte, wie gekränkt und wütend Isabel in Wahrheit war, wäre sie weit weniger gelassen gewesen. Isabel wischte sich Tränen des Zorns aus den Augen, während sie die breite Eingangstreppe von Sherbrook Hall hinablief und die Zügel ihres Pferdes dem Stallburschen abnahm, der es für sie gehalten hatte. Mit einer geschmeidigen Bewegung saß sie auf und drückte dem überraschten Wallach die Fersen in die Flanken, sodass er in einen schnellen Galopp verfiel. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob jemand vielleicht das Pech hatte, ihr entgegenzukommen, preschte sie in halsbrecherischem Tempo über die lange Auffahrt, die von Sherbrook Hall zur Straße führte. Als sie die erreichte, kam sie wieder zur Vernunft und zügelte das Pferd zu einer gemäßigteren Gangart. Im schwindenden Aprilsonnenschein ritt sie so nach Denham Manor.
Ich bin also eine scharfzüngige kleine Hexe ,
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