Sturm der Herzen
entgegensah.
An einem wunderschönen Morgen in der ersten Maiwoche nahm Lord Manning Clara Appleton zur Frau. Die Hochzeitsfeier war immer umfangreicher geworden; der Vikar und seine Gattin sowie Sir James und Lady Agatha waren von der bevorstehenden Eheschließung unterrichtet worden und waren natürlich auch gekommen. Nach einem wunderschönen Austausch der Eheschwüre im Garten, inmitten von blühenden Rosen, wurde ein Hochzeitsfrühstück serviert, das alles in den Schatten stellte, was der beste Küchenchef Londons hätte auftischen können. Am Ende des Festmahls jedoch sah der Baron müde aus, obwohl er glücklich wirkte, weshalb die Gäste sich rasch verabschiedeten.
Die inzwischen verstrichenen vierundzwanzig Stunden waren für Isabel wie in einem Wirbel verflogen. Sie hatte das Packen von Edmunds Sachen beaufsichtigt und entschieden, was er mit nach Brighton nehmen würde und was nach Sherbrook Hall gebracht werden musste. Auch ihre eigenen Kleider und sonstiger beweglicher Besitz musste in Kisten und Koffern verstaut werden, damit alles in ihr neues Zuhause gelangte. Obwohl Deering und der Rest der Dienerschaft sich mit vollem Eifer in die Vorbereitungen der Hochzeitsfeier gestürzt hatten, gab es dennoch vieles, was Isabels Aufmerksamkeit erforderte. So hatte sie stundenlang mit Deering, Mrs Deering und der Köchin zusammengesessen, um sicherzugehen, dass alles problemlos lief. Sie hatte versucht, sich mit Clara in dem einen oder anderen Punkt abzusprechen, aber meist hatte die ihr nur die Schulter getätschelt und erklärt: »Meine Liebe, ich bin ganz glücklich, wenn ich alles in deinen fähigen Händen lassen kann. Morgen ist früh genug für mich, um in die Rolle der Hausherrin zu schlüpfen.« Mit einem Lächeln hatte sie dann noch hinzugefügt: »Es ist völlig überflüssig, die Diener damit zu verwirren, dass wir beide Anweisungen geben. Außerdem weiß ich, dass du alles ganz wunderbar machen wirst.«
Von allen Einschränkungen befreit, die eine Braut ihr hätte aufbürden können, machte sich Isabel ans Werk, damit die Hochzeit ihres Schwiegervaters ohne Zwischenfälle verlief. Von dem Aufstellen des blauen Zeltes, unter dem Braut und Bräutigam stehen sollten, über den Blumenschmuck aus Lilien und Schleierkraut bis zu den kleinen locker leichten Pastetchen mit Krabbenfüllung, die beim anschließenden Frühstück serviert wurden, war alles unter ihrer Aufsicht vorbereitet worden. Sie war froh um die Ablenkung, weil es sie davon abhielt, darüber nachzugrübeln, was die folgende Nacht wohl für sie bereithielt.
Ihre Koffer und Truhen waren schon vor Stunden nach Sherbrook Hall gebracht worden; Lord Manning hatte sich in Begleitung seiner Braut auf sein Zimmer zurückgezogen; Jack, Mrs Sherbrook und Edmund waren als Letzte aufgebrochen; nachdem Isabel Edmund zum Abschied gedrückt hatte, hatte sie ihnen eben erst hinterhergewinkt. Auch von Deering und den anderen Dienern hatte sie sich verabschiedet, und dabei waren Tränen geflossen. Nun aber wartete Marcus’ Kutsche draußen vor dem Haus auf sie, vor der großen Eingangstür von Manning Court.
Ich müsste glücklich sein , hielt sie sich eindringlich vor Augen. Mein Sohn hat zwei Großmütter, die ihn lieben, nachdem er bis jetzt gar keine hatte. Lord Manning, den ich sehr, sehr gern habe, befindet sich auf dem Weg der Genesung und hat eine der nettesten Frauen geheiratet, die ich kenne. Es gibt so viel in meinem Leben, dachte sie betrübt, das mich froh machen sollte. Ich habe einen gut aussehenden Ehemann. Einen guten Mann, gestand sie sich mit wehem Herzen ein, den ich schon mein ganzes Leben lang liebe. Also warum bin ich nur so unglücklich?
Einer der beiden Türflügel wurde geöffnet, und Marcus stand lächelnd davor. »Bist du bereit, meine Liebe?«, fragte er sie.
Sie drängte resolut alle Ängste und Sorgen zurück, hob den Kopf, straffte die Schultern und antwortete, während sie sich die lavendelfarbenen Lederhandschuhe überstreifte, die zu ihrem Musselinkleid passten: »Ja.« Sie blickte sich ein letztes Mal in der Eingangshalle um. »Es ist ja nicht so«, sagte sie mehr zu sich selbst, »als würde ich ewig weit wegziehen.«
Marcus war während der vierundzwanzig Stunden zuvor nicht müßig geblieben. Da Isabel mit den Planungen für die Hochzeit und dem Packen für ihren Umzug nach Sherbrook Hall beschäftigt gewesen war, gab es für ihn auf Manning Court wenig zu tun, abgesehen davon, Bickford Anordnungen zu geben.
Weitere Kostenlose Bücher